Viele verwechseln das Aufschieben – auch Prokrastination genannt – mit Faulheit. Wer aufschiebt ist nicht faul, sondern überfordert. Ich zeige dir, warum Aufschieberitis nichts mit Faulheit zu tun hat, warum Produktivität ihre Grenzen hat und helfe dir Prokrastination zu überwinden.

Warum schieben wir Dinge auf?

Wir alle schieben Pflichten aus ganz unterschiedlichen Gründen auf. Die schmutzige Wäsche liegt einen Tag länger im Wäschekorb, wenn wir eine Stunde lang im Stau gestanden sind. Den Newsletter schreiben wir erst am nächsten Tag, wenn das Internet wieder Diva spielt. Das versprochene 3-Gänge-Menü wird durch den Pizzadienst ersetzt, weil wir einfach keinen Bock auf Kochen haben.

Warum gehen uns manche Erledigungen so leicht von der Hand und andere fühlen sich an wie ein Marathonlauf in der Sahara?

Oft schieben wir unangenehme oder überwältigende Aufgaben auf.

Alle Menschen schieben hin und wieder auf, das ist nichts Besonderes. Manchmal ist das Aufschieben von Aufgaben oder Entscheidungen sinnvoll. Durch ein bisschen Prokrastination sind wir kreativer und setzen nicht die erstbeste Idee um. Unser Gehirn braucht etwas Zeit, um kreative Lösungen zu entwickeln. Die erste Idee für dein Business war wahrscheinlich nicht die beste.

Prokrastination wird zum Problem, wenn es sich negativ auf Privat-, Berufs- oder Studentenleben auswirkt und:

  • du ständig Termine verbummelst.
  • du mangelhafte Arbeit leistest.
  • es dir mental und psychisch zu schaffen macht.

Die Frage nach dem Warum ist der wichtigste Schritt, um Prokrastination in den Griff zu bekommen. Wir wollen sie nicht bekämpfen. Wir wollen sie soweit überwinden, dass wir uns nicht mehr schuldig fühlen, wenn wir ab und zu Dinge nicht sofort erledigen.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Aufgaben, die wir aufschieben (beide können sich überschneiden):

  • Aufgaben, die wir nicht mögen (weil sie langweilig, anstrengend oder zu umfangreich sind).
  • Aufgaben, die wir aus Unsicherheit nicht erledigen (Perfektionismus, Versagensängste, Angst vor Kritik).

Mein persönliches Aufschiebmonster ist Neues, Unbekanntes. Das Fremde und die Panik deswegen Fehler zu machen, bereiten mir Angst. Deshalb ist meine Wohnung vor unbekannten Aufgaben immer blitzeblank, mein Kleiderkasten pipifein ausgemustert und sortiert und der Hund von jeglicher Wolle befreit.

Aufschieberitis überwinden

Die gängigsten Gründe für Prokrastination

Die Gründe für Prokrastination haben nichts mit Faulheit zu tun.

Ängste

Leistungsdruck, Angst vor Fehlern und Neuem, Perfektionismus, geringes Selbstwertgefühl, Scheu vor Kritik, Imposter-Syndrom: Sie alle haben gemeinsam, dass wir uns nicht gut genug fühlen. Wir unterschätzen unser Können oder unsere Leistungen.

Falsche Ziele und zu umfangreiche Aufgaben

An unrealistischen Zielen können wir nur scheitern. Du wirst den Großglockner Berglauf nicht gewinnen, wenn du noch nie im Leben Laufschuhe angehabt hast.

Selbst wenn ein Ziel realistisch ist, kann es wie ein Berg wirken. Eine Masterarbeit in einem Jahr schreiben ist realistisch. Den Fokus auf eine solche Mammutaufgabe halten ist schwer.

Vielleicht hast du den Aufwand einer Aufgabe unterschätzt. Das machen viele von uns, weil wir beim Planen von einem Idealzustand ohne Störungen ausgehen.

Überlastung

Du machst zu wenige oder kurze Pausen und kommst aus dem Hamsterrad nicht mehr heraus. Das überlastet dich und deine Leistung leidet darunter. Keine Pausen machen schaden deiner Produktivität (oder gar auf Tech-Magnaten wie Elon Musk hören 🙄).

Für kurze Zeit gehen 80 Arbeitsstunden und mehr in der Woche gut, doch niemand hält das ohne bleibende Schäden durch (Ernsthaft: Niemand sollte auf das olle Musketier hören). Irgendwann stehst du völlig erschöpft vor der nächsten Aufgabe und weißt nicht, wie und wo und warum du anfangen sollst.

Krankheit

Extreme Prokrastination kann ein Zeichen für Krankheit oder Störungen sein. Aufschieben ist ein typisches Symptom bei Depression, Angststörungen, ADHS.

Was auch immer die Gründe für deine Prokrastination sind: Fühl dich nicht schuldig, wenn du aufschiebst. Das setzt dich nur weiter unter Druck.

14 Tipps gegen Aufschieberitis

14 Tipps, um Prokrastination zu überwinden

Vergiss nicht: Ab und zu Dinge aufschieben, ist normal, kann sinnvoll sein und kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Es sollte nur nicht jedes Mal passieren, wenn eine Aufgabe etwas größer, neu oder fad ist.

1. Ersatzhandlungen unterbinden

Wohnung putzen statt Steuererklärung machen. Ein Klassiker. Warum tun wir das? Weil ein Wohnungsputz durchaus sinnvoll ist, und uns die erledigte Aufgabe kurzfristig glücklich macht: „Haha, ich habe etwas Wichtiges geschafft! Außerdem ist die richtige Umgebung wichtig für meinen Fokus. Ich MUSSTE die Wohnung auf den Kopf stellen!“

Sei ehrlich, wie nötig war die Putzaktion? Wichtiger als deine Steuern, die vor zwei Wochen abzugeben waren?

Ersatzhandlungen sind so verführerisch wie Sirenen im Meer. Sei wie Odysseus und segle an ihrem betörenden Gesang vorbei.

2. Zeit und Energie einteilen

Finde ein Zeitmanagementsystem, das zu dir passt. Es gibt viele Arten des Zeit- und Energiemanagements (z.B. Batching, Pomodoro, Mind-Management). Eines finden, das zu dir passt, kann eine Weile dauern. Ich habe mich viel mit dem Thema beschäftigt und herausgefunden, dass das passende System von Persönlichkeit und Vorlieben abhängt.

Achte darauf, dass du dich bei der Suche nicht erst recht verzettelst. Dann wird die Systemsuche wieder zur Ersatzhandlung (ich spreche natürlich nicht aus Erfahrung 🫠). Probiere aus und denke daran: Das perfekte System gibt es nicht. Und das ist in Ordnung! Es wird sich ändern und du wirst verschiedene Zeitmanagementsysteme miteinander kombinieren.

Viele vergessen beim Zeitmanagement, dass dein Energielevel nicht 24 Stunden gleich ist. Ich achte neben der Zeiteinteilung auf meine Energie und produktive Hochphasen. Früh aufstehen? Das wird für mich niemals funktionieren. Mein Chronotyp ist eine Nachteule (ein leicht bis moderater Spättyp) und so teile ich mir den Tag ein. Mein Biotief ist nicht am Nachmittag, sondern am frühen Abend.

3. To-Do-Listen und Teilaufgaben

Du hast eine Monsteraufgabe vor dir? Zerhacke sie in kleine Teilaufgaben, das nimmt den Druck. Eine Bachelorarbeit schreiben ist ein Mammutprojekt, doch du kannst es in grobe Teilaufgaben und diese wieder in kleinere Aufgaben unterteilen.

Zu viele Aufgaben für einen Tag können überwältigend wirken. Suche dir ein paar wenige Aufgaben, damit deine To-Do-Liste nicht länger als dein Einkaufszettel für die Woche ist.

4. Prioritäten setzen

Sortiere deine To-Do-Listen. Am besten hast du eine für den Tag, die Woche und den Monat oder Quartal. Auch Jahreslisten geben dir einen Überblick über deine Ziele. Was ist die wichtigste Aufgabe auf jeder Liste? Versuche, die Aufgaben zuerst zu erledigen, die dich deinem wichtigsten Ziel näherbringen.

5. Routinen etablieren

Fange jeden Tag zur gleichen Zeit an und triggere dein Gehirn. Mach dir eine frische Tasse Kaffee, bevor du dich an den Schreibtisch setzt. Dein Gehirn liebt Routinen und Automatismen, weil es weniger darüber nachdenken muss, was als Nächstes kommt. Nur durch den Geruch vom Kaffee wissen deine grauen Zellen, dass jetzt Arbeitszeit ist. Mach dasselbe nach getaner Arbeit. Schalte deinen Laptop aus und putze ihn. Dein Arbeitstag ist erledigt.

6. Die 2-Minuten-Regel: Leg einfach mal los

Neigst du zum Grübeln und denkst über etwas 101-mal nach? Bevor du loslegst, musst du erstmal alle Vor- und Nachteile abwiegen, die Aufgabe von allen Seiten beleuchten und einen Regentanz aufführen. Stopp. Atme durch, mach die Augen zu und zähle von 5 abwärts. Bei 1 legst du einfach los. Gib dir zwei Minuten. Wenn du nach 2 Minuten tatsächlich das Handtuch wirfst, darfst du aufhören.

In 19 von 20 Fällen erledigst du deine Aufgabe und wunderst dich, warum du vorher wimmernd in der Embryohaltung auf der Couch gelegen bist.

Deshalb überwinden manche dank Zeitdruck vor einem Abgabetermin die Prokrastination. Der Grund: Sie denken nicht über die Aufgabe nach, sondern tun einfach, weil sie keine andere Wahl haben. Ich würde mich nicht darauf verlassen und den Hebel vorher ansetzen.

7. Plane genügend Zeit ein (aber nicht zu viel) und setze Deadlines

Bei der Tagesplanung gehen wir zu oft von einem perfekten Tag mit viel Energie und ohne Unterbrechungen aus. Die Realität ist meistens anders: Aufgabe 1 dauert doch länger, wir haben nur mittelmäßig geschlafen, der Partner hustet uns in den Nacken und wir müssen geschwind zur Apotheke. Und schon ist der halbe Tag vorbei.

Wir unterschätzen beim Planen, wie lange wir für eine Aufgabe benötigen und denken nicht an ungewollte Unterbrechungen. Baue Puffer ein und schätze die Zeit großzügiger als gewollt.

Das hat eine Kehrseite: Wenn du die Zeit zu geräumig schätzt, brauchst du exakt so lange für eine Aufgabe (Parkinsonsches Gesetz).

Hier musst du ein wenig tüfteln und mit der Erfahrung wird das richtige Abschätzen immer leichter.

Mein Tipp: Gehe vom Idealzustand einer Aufgabe aus und plane ca. 50% mehr Zeit ein. Wenn du für die Recherche eines Blogartikels im Idealfall eine Stunde brauchst, plane eineinhalb Stunden ein.

8. Fange zu einem bestimmten Zeitpunkt an

Nimm dir vor, zu einem konkreten Zeitpunkt anzufangen. Entweder eine Uhrzeit (z.B. 9:00 Uhr) oder einen Zeitpunkt nach einer anderen Aktivität (z.B. nach dem Frühstück). Pass auf, dass du dein Frühstück nicht in die Länge ziehst wie ein französischer König des 17. Jahrhunderts oder ein Hobbit.

9. Weg mit den Ablenkungen

Dein Smartphone liegt bei der Arbeit neben dir? Instagram ist deine Startseite? Du bekommst jedes Mal ein Signal, wenn du eine Mail kriegst? In ein anderes Zimmer legen, den Tab schließen und den Ton ausschalten. Das gehört zum Zeitmanagements-Einmaleins.

10. Aufschieben =/= Verschieben

Aufschieben und verschieben sind zwei Paar Sandalen.

Das erste Paar ist vollkommen zerkaut, weil es der Hund schon zig-mal im Maul hatte. Die Riemen fallen auseinander und die Sohle hat solche Löcher, dass jeder Kieselstein schmerzt und jeder Grashalm kitzelt.

Das zweite Paar ist solide und hält dich fest. Es ist nicht immer die beste Lösung — aufs Matterhorn wirst du mit den Tretern nicht kommen — aber für Strandspaziergänge, Einkäufe und Bummeln durch die Stadt passt es perfekt.

Verschiebst du eine Aufgabe, hast du Verantwortung übernommen und nicht stundenlang Zeit mit Aufschieben verschwendet. Du sagst: „Die Aufgabe ist wichtig, aber jetzt geht es nicht. Ich probier es morgen.“

11. Mach Pausen

Echte Pausen. Nicht beim Mittagssnack wichtige Mails runtertippen oder telefonieren. Keine Pausen machen, steigert deine Produktivität nicht. Ganz im Gegenteil. Mehr Arbeitszeit bedeutet nicht mehr Leistung. Wir können uns nur ca. 90 Minuten am Stück konzentrieren. Danach ist Schluss.

12. Belohnungen nach erledigten Aufgaben

Hast du deine Aufgaben für diese Woche alle erledigt? Hol dir eine Pizza aus dem Lieblingsrestaurant und lass den Herd ausgeschaltet. Du hast dein Buch veröffentlicht? Geh shoppen oder mach einen Kurzurtrip in die Therme. Auch kleine Tagesaufgaben kannst du mit einem leckeren Coffee-to-go in der Sonne belohnen.

Ich gebe zu, ich fühle mich bei der Methode mit dem Belohnen manchmal wie ein kleines Kind. Müssen wir uns unsere Freizeit oder ein anderes Goodie erst verdienen? Für mich funktioniert die Methode trotzdem sehr gut. Sie ist verspielt und ich fühle mich wie Mario, der Münzen und Booster sammelt.

13. Partner suchen

Wir Intros sind ganz schöne Soloakteure. Aber selbst der hartnäckigste Solokämpfer der Marke Eigenbrötlerisch braucht andere Menschen. Hol dir einen Accountiblility-Partner, der immer wieder fragt, ob du am Ball bleibst. Das übt leichten, positiven Druck aus. Für uns selbst lassen wir viele Ausreden durchgehen („Ich habe heute nur 7 statt 8 Stunden geschlafen! Unmöglich, dass ich mich konzentrieren kann!“). Gibst du solche Ausreden vor deinem Partner auch zu?

14. Sag mal „Nein“ zu dir selbst

Du recherchierst und hast 10 Tabs offen? Dein Blick wandert zum Smartphone? Entweder sitzt du schon zu lange am PC und brauchst eine Pause (Mach sie!) oder du willst dich ablenken lassen.

Wenn du keine Pause brauchst, weil du gerade angefangen hast, atme durch und sag mal laut „Nein“ zu dir. Das macht dir deinen Ablenkungsversuch bewusst und du findest deinen Fokus wieder.

Prokrastination überwinden: Mit ein paar Tipps schaffst du es

Prokrastination ist kein Symptom deiner Faulheit, sondern ein Zeichen für Überforderung. Manchmal macht das Aufschieben von Aufgaben Sinn und fördert deine Kreativität. Versuche, ein paar der Tipps anzuwenden, wenn du zu oft oder regelmäßig aufschiebst. Verurteile dich nicht, wenn du ab und zu prokrastinierst. Hake den Tag ab und versuche es am nächsten Tag wieder.

Neigst du zum Prokrastinieren? Schiebst du wichtige Aufgaben regelmäßig auf? Was hilft deiner Meinung nach dagegen? Schreibe es gerne in die Kommentare!