Mit Angst vor Sichtbarkeit kämpfen viele Selbstständige. Hinter dieser Angst stecken oft Gründe, die nur am Rande mit dem Business zu tun haben. Sichtbarkeit ist wichtig. Wenn niemand weiß, dass es uns gibt, kann niemand bei uns kaufen. Erfahre, warum wir uns als Hochstapler fühlen, wie du dich ohne blinkende Reklametafel zeigst und was Sportler mit deiner Sichtbarkeit zu tun haben.

Impostor-Syndrom: die Zweifel an den eigenen Fähigkeiten

Beim Impostor-Syndrom — auch Hochstapler-Syndrom genannt — haben Betroffene enorme Selbstzweifel in Bezug auf ihre Fähigkeiten und Erfolge. Sie halten ihre Leistungen für Glückstreffer, Zufälle und nicht durch Arbeit und Kompetenz erzielt.

Es betrifft oft Menschen, die über viel Expertise verfügen. Ich höre gerne Podcasts von erfolgreichen Autoren, die bei jedem neuen Roman oder Drehbuch in denselben Gedankenstrudel geraten: „Dieses Mal werde ich scheitern, dieses Mal kommen sie mir auf die Schliche, dass ich gar nicht schreiben kann.“

Es trifft auch Menschen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Dann meldet sich die innere Kritikerin in diesem Ton: „Du darfst noch nicht anfangen! Bist du narrisch?! Du brauchst noch diese Ausbildung hier und den Master da drüben! Und vorher musst du noch für 10 Kundinnen gratis arbeiten, bevor du überhaupt einen Cent verlangen darfst! Früher oder später werden sie draufkommen, dass du gar nichts kannst.“

Eine Frage hab ich da, liebe Kritikerin: Wer soll denn auf was draufkommen?

Wir überschätzen unsere Wirkung, die wir auf andere Menschen haben. Die beschäftigen sich nicht den ganzen Tag damit, uns endlich auf die Schliche zu kommen.

Im Spitzensport ist der Alltag geprägt von Verletzungen, Scheitern und Verlieren.

Michael Jordan, der beste Basketballspieler aller Zeiten, scheiterte ständig.

“I’ve missed more than 9000 shots in my career. I’ve lost almost 300 games. 26 times, I’ve been trusted to take the game winning shot and missed. I’ve failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed.”

Oder der Tennisspieler Stan Wawrinka, der sich folgendes Zitat von Samuel Beckett auf den Arm tätowiert hat.

„Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.”

Komfortzone verlassen und die Angst vor Ablehnung

„Verlass deine Komfortzone, da wirst du wachsen“ sagen sie immer. Das stimmt, aber das Verlassen der molligen Couch mit Tee ist Dünger fürs Impostor-Syndrom. Warum? Dein Gehirn will dich vor Enttäuschungen wie Ablehnung schützen.

Forscher fanden heraus, dass unser Gehirn Ablehnung im selben Bereich verarbeitet wie physischen Schmerz. Ablehnung tut wortwörtlich weh!

Nicht nur das: Selbst, wenn wir Ablehnung nur erwarten, empfinden wir denselben Stress wie bei echter Ablehnung.

Hinter dieser Angst steckt oft der Wunsch nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Wir sind Herdentiere und für unsere Vorfahren bedeutete von der Gruppe ausgestoßen zu werden den Tod. So ein Säbelzahntiger tut sich mit einem einzelnen Menschen leichter als mit 30 von uns Zweibeinern.

Wichtig ist, dass du deine Angst nicht unterdrückst. Lass sie zu, gib ihr einen Namen, ein Gesicht, eine Stimme. Sprich sie aus, schreib sie auf. Achte auf deine Formulierung: „Ich habe Angst“ ist nicht dasselbe wie „Ich bin meine Angst“. Oder wende dich an Kollegen, Freunde, Familie: Die sind meist nicht so streng mit dir wie du selbst. Die innere Kritikerin ist alleine im stillen Kämmerlein besonders laut.

Frag dich, warum deine Kritikerin wieder bei dir anklopft. Wenn dir das bewusst wird, ist es leichter, sie in den Urlaub zu schicken. Ist es die Angst vorm Scheitern? Überfordert dich der Technikkram bei Website und Co.? Fürchtest du dich vor der Meinung anderer?

Schick die innere Kritikerin doch mal in die Hängematte

Ein Hoch auf das Scheitern

Ich schreibe Kurzgeschichten, die ich an Zeitschriften und Wettbewerbe schicke. Sie werden öfter abgelehnt als angenommen (das ist ganz normal). Am Anfang hat mich das ganz schön fertig gemacht und meine innere Kritikerin meinte, dass ich das eh nicht könne. Heute — nach vielen Absagen — kostet mich das nicht mal ein Schulterzucken. Die Kritikerin schlummert tief und fest, wenn ich die E-Mail aufmache, in der steht, dass die Redaktion meine Geschichte dieses Mal leider nicht abdruckt.

Aufgaben, die ich schon öfter erledigt habe, meistere ich problemlos. Neues und Unbekanntes ist dagegen ein Mount Everest ohne Steigeisen für mich. Dann kommt die berühmte Aufschieberitis oder Prokrastination ins Spiel. Die Angst vor Neuem ist in diesem Fall mit dem Hochstapler-Syndrom verwandt: Bin ich dazu fähig Unbekanntes zu meistern? Darf ich das überhaupt?

Routinen, Gewohnheiten und öfter scheitern helfen gegen die Angst. Wenn wir öfter in kleinem Rahmen scheitern, lernen wir, dass die Welt nicht in einer Dystopie endet, nur weil etwas nicht geklappt hat.

Kritik und Ablehnung von außen

Die innere Kritikerin haben wir für den Moment in die Schranken gewiesen. Doch was, wenn die Kritik von außen kommt? Andere Menschen haben das Recht, dich zu kritisieren. Ganz schön blöd, oder?

Nimm Kritik und Ablehnung nicht persönlich.

Eine der schwierigsten Aufgaben, ich weiß. Gerade hochsensible Menschen reagieren, nun ja, sensibel auf Kritik. Wir können nicht anders als zu denken: Was habe ich falsch gemacht? Was stimmt nicht mit mir? Ist jetzt alles vorbei?!

Oft hilft es, das Feedback zu analysieren. Wenn du die Analytiker-Brille aufsetzt, schafft das Distanz und hält Emotionen in Schach. War die Kritik berechtigt? Wenn ja, was kannst du daraus für die Zukunft lernen?

Kritik und Ablehnung können motivieren und eine „Jetzt erst recht“-Mentalität in dir auslösen.

Der nächste Sportler (ich weiß, aber sie sind so gute Beispiele bei den Themen Ablehnung und Scheitern): Niemand wollte Tom Brady in einem der Football-Teams. Jetzt ist er der erfolgreichste Quarterback aller Zeiten und steht mit über 40 noch immer auf dem Rasen.

Wie du deine Angst vor Sichtbarkeit überwindest

Angst vor Sichtbarkeit überwinden

Wir wissen jetzt, was hinter der Angst vor Sichtbarkeit steckt. Mit folgenden Schritten ist es leichter, sie zu überwinden.

1. Sichtbarkeit ist ein Marathon, kein Sprint

Runter vom Gas: Setze dich nicht unter Druck und vergiss das ganze „Du musst dies und das machen, sonst wirst du nie erfolgreich!“ 1 Blogartikel im Monat ist besser als kein Blogartikel. Es müssen nicht 4, 8 oder gar 30 sein.

2. Du musst nicht alles machen

Sichtbarkeit heißt nicht, dass du 100 Bilder und Videos auf deiner Website haben musst. Du brauchst nicht alle Social-Media-Kanäle von Insta bis TikTok bespielen. Welche Marketing-Strategien liegen dir? Beim Sprechen fühlst du dich pudelwohl, vor der Kamera dagegen wie ein Häufchen Elend? Dann fang mit einem Podcast an und warte mit den Videos.

3. Finde deine Nische

Eine klare Positionierung und dein Herzensthema helfen am Anfang. Gibt es etwas, über das du stundenlang reden könntest? Dann wird es auch mit der Sichtbarkeit leichter.

4. Teile große Ziele in kleine Schritte auf

Der Klassiker. Zwischenziele sind so wichtig, weil sie das große, gruselige Ganze in kleine, schnucklige Etappen aufteilen. Aber Vorsicht: Nicht zu sehr verniedlichen. Sonst kommen wieder Zweifel, du verzettelst dich und meinst, dass du das Ziel nicht erreichst. Wenn du beim Schreiben einer wichtigen E-Mail 1001-mal umformulierst, die Nachricht durch zehn Rechtschreibprogramme und Spamfilter jagst und du herausfinden musst, ob der Mond richtig steht, sind es zu viele Zwischenstopps (wer fühlt sich ertappt?).

5. Pfeif auf Perfektion

Perfektion ist die Sichtbarkeits-Mörderin. Niemand nimmt dir übel, wenn du nicht perfekt bist. Wer will mit einem makellosen Roboter zusammenarbeiten? Falls es doch solche Menschen gibt: Haben die noch nie einen Fehler gemacht? Nie zerzauste Haare und Augenringe gehabt? Noch nie einen Patzer bei der Arbeit gemacht? Vor einem unfehlbaren Menschen würde ich mich mehr fürchten als vor Annabelle, Michale Myers und den Minions (gruselige Biester).

Es lebe der Sport, das Scheitern und deine Sichtbarkeit!

Wie hast du deine Angst vor Sichtbarkeit überwunden? Schreibe deine Tipps gerne in die Kommentare!