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Ein Mantra wirst du in der online Businesswelt immer wieder hören: Wir sollen uns nicht unter Wert verkaufen. Wer bestimmt unseren Wert? Wie wissen wir, wie wertvoll wir sind? Selbst wenn wir unseren Wert kennen, machen wir Kompromisse und arbeiten gratis: Mach ich halt geschwind, das ist ja nicht so viel Arbeit, ich will Kundin xy zufriedenstellen. Besonders Introvertierte machen es anderen gerne recht. Das ist keine schlechte Eigenschaft, allerdings müssen wir öfter Grenzen ziehen.
Wo wir Grenzen ziehen und warum wir Reichweite nicht essen können
Wie wir Preise festlegen, hängt von einer Menge Faktoren ab: Erfahrung, Markt, Zeit und Energie, die wir in unser Angebot investiert haben etc.
Preise festlegen, aber wie?
Bevor andere Menschen unseren Wert erkennen, musst du dich selbst und deine Arbeit als wertvoll genug ansehen. Im Wort Selbstwert steckt die Lösung: Es ist der Wert, den wir uns selbst zuschreiben. Es gibt keinen galaktischen Overlord, der über uns bestimmt. Es ist dein Business und du bestimmst die Preise.
Dabei gibt es Obergrenzen und Untergrenzen:
Auch wenn manche Businessgurus es uns gerne vermitteln: Preise lassen sich nicht bis ins Unendliche in die Höhe schrauben. Ob ein Kochbuch € 100 wert sein kann? Vielleicht. Bei € 1000 sage ich sicher: „Halt, stopp, kannst du behalten!“
Auf der anderen Seite schätzen wir als Konsumenten Wertvolles mehr als Ramsch oder Kostenloses. Kurse, für die wir bezahlen, nehmen wir ernst. Deshalb ist es oft frustrierend, wenn andere Unternehmen unseren Wert nicht erkennen.
Geld als Form der Wertschätzung
Influencer haben mit Sprüchen wie: „Du bekommst unsere Reichweite als Bezahlung“ zu kämpfen. Kann man Reichweite essen? Wie schmeckt sie? Oder nimmt sie wenigstens der Vermieter? Ist Reichweite die neue, hotte Kryptowährung? Nein?
Im Business ist Geld ein Ausdruck von Wertschätzung. Du steckst mehr Energie in gut bezahlte Aufträge. Warum sollst du dich für die olle Reichweite bemühen? Viele von uns machen das trotzdem. Wir investieren viel Arbeit in Aufträge zu Dumpingpreisen. Wenn du ein sehr gutes Verhältnis mit einem Kunden hast und er dich wertschätzt, ist der ein oder andere Gefallen nicht tragisch.
Oft übertreiben wir mit den Geschenken aus Angst, Kunden zu verlieren. Im schlimmsten Fall nagt ständig das Gefühl an uns, dass wir von ihnen abhängig sind. Wir machen uns klein und gehen ständig Kompromisse ein.
Anerkennung und Ablehnung
Bei unserem Selbstwertgefühl spielen soziale Beziehungen eine Rolle. Dahinter steckt oft das Bedürfnis nach Anerkennung und eine Angst vor Ablehnung. Das macht evolutionsbiologisch auch Sinn. Der Heilige Gral des Überlebens war die soziale Gruppe. Wir verbiegen uns und machen Kompromisse, damit uns die Gruppe nicht verstößt und wir überleben.
Dazugehören bedeutet in der Businesswelt oft, dass wir extravertiert sein sollen. Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir verstellen uns oder wir gehören nicht dazu.
Viele Introvertierte sind sensibel und nehmen Kritik persönlich. Wir vermeiden oft Streit, damit sich alle wohlfühlen. Weil wir in einer extravertierten Welt leben vergleichen wir uns vor allem mit Extravertierten und sehen Introversion als eine unserer unzähligen Defizite.
[EXKURS] Erlerntes Verhalten: Frauen, unser Wert und warum uns verkauft wird, dass etwas nicht mit uns stimmt
Es stimmt, dass viele Frauen extra Schwierigkeiten haben, ihren Wert zu erkennen und dafür einzustehen. Das ist keine Schwäche, die uns betrifft, weil wir Frauen sind. Die Gene spielen eine Rolle, noch mehr ist es erlerntes Verhalten.
Wie Frauen lernen, sich unter Wert zu verkaufen
Wenn wir das verlangen, was uns zusteht, und etwas forscher sind, gelten wir als — pardon my English — ice-cold Bitch. Nice. Das lernen wir in der Kindheit.
Erwachsene loben Mädchen, wenn sie brav sind und alle Regeln befolgen. Dadurch lernen wir, negative Gefühle runterzuschlucken. Wir haben von Kindheit an das Gefühl, dass wir keine Fehler machen dürfen. Wenn später Fehler passieren, bricht eine Welt zusammen.
Lehrer loben uns für gute Noten. Kommt einmal eine schlechte Note daher, sind wir so perplex, dass unser gesamter Körper reagiert. Das ist mir passiert, als ich meine erste „schlechte“ (3) Note im Gymnasium bekommen habe (in den Jahren danach folgten ein Haufen schlechter Noten, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe mich so aufgeregt, dass meine Nase angefangen hat zu bluten.
Das mit dem Lob ist ein zweischneidiges Schwert. Abweisung durch die Eltern in der frühkindlichen Phase kann einen geringen Selbstwert auslösen. Andererseits ist ständiges Lob ebenso ein Katalysator dafür, wenn es sich um ein bestimmtes Lob handelt.
Es ist ein Unterschied, ob wir eine Person oder die Leistung einer Person loben. Nach einem Lob der Person haben Kinder Schwierigkeiten, Niederlagen zu verdauen. Kinder schämen sich für eine schlechte Leistung, weil sie gelernt haben, dass Leistung Rückschlüsse auf ihre Person gibt.
„Du hast dich beim Test wirklich angestrengt, super.“ vs. „Du bist so gut in Biologie.“
Im ersten Fall wird die Leistung bewertet, im zweiten Fall die Person. Was passiert, wenn eine schlechte Note folgt?
„Ich habe nicht genug gelernt oder nicht alles verstanden.“ vs. „Ich bin zu doof, ich kann das nicht.“
Der erste Fall ist halb so wild, ich kann es beim nächsten Mal besser machen. Ich habe es selbst in der Hand. Im zweiten Fall: Weltuntergang und es handelt sich um einen unveränderbaren Zustand.
Lob ist keine Medizin gegen ein geringes Selbstwertgefühl, weil dadurch Erwartungsdruck entsteht. Wichtiger ist bedingungslose Akzeptanz: „Du bist ein toller Mensch und wir lieben dich, egal wie deine Noten sind.“ Wir sind nicht nur wegen unserer Leistungen wertvoll.
Wir dürfen scheitern, aufstehen und weiter machen. Wir dürfen Angst haben und „Nein“ sagen. Wir dürfen Menschen sein.
Mit uns Frauen stimmt was nicht …
Studien zeigen, dass Hausfrauen früher weniger Zeit mit ihren Kindern verbracht haben, als berufstätige Mütter heute. Auch Väter verbringen heute mehr Zeit mit den Kindern. Bei Frauen wird das aber als selbstverständlich angesehen.
Frauen definieren sich über ihre Leistung und reden sie klein. Mal schnell den Haushalt schmeißen, nebenbei Kinder erziehen oder ihnen bei der Hausübung helfen, obwohl man keinen Dunst davon hat. Achja, zwischendurch kochen, damit niemand verhungert, Karriere machen und hoffentlich behalten. Die perfekte Ehefrau, Liebhaberin, beste Freundin und supertolle Kollegin sein …
Schaffen wir das nicht, stimmt etwas nicht mit uns. Andere kriegen das auch auf die Reihe, warum ich nicht?
In einem Artikel von Jezebel schreibt die Autorin, dass Lifestylemarken wie Gwyneth Paltrows GOOP Frauen rund um die Uhr eingeredet, dass etwas mit ihnen nicht stimmt und dass es dafür eine Lösung gibt: GOOPs heilende Kristalle, Kerzen und Sticker. Für jedes winzige Problem ein Zaubertrunk.
Die Cellulite muss weg, kein Problem, mit dieser Crème aus geriebenen Tentakeln der Seeanemone schmilzt sie von selbst. Erstens: nein. Zweitens: Warum ist Orangenhaut eigentlich ein Problem? Dasselbe gilt für Falten, weil Falten ja so furchtbar sind wie Voldemort. Mach eine Detoxkur, es sind ja giftige Stoffe in deinem Körper, das willst du doch nicht, raus damit! Was, bei deinem Orgasmus explodieren nicht eine Stunde lang regenbogenfarbene Einhörner? Kann doch nicht sein, da stimmt was nicht! Hier, setz dich auf das Yoni-Ei für € 240 und es wird dein Leben verändern!
GOOP und andere Marken treffen einen Nerv, den viele Frauen kennen: Ärzte nehmen sie nicht ernst. Die Lösung ist aber nicht, dass wir ständig eingebildete Probleme bekämpfen.
Damit will ich nicht die gesamte Selbstoptimierungsbranche mit einer Atombombe bewerfen und ausradieren. Ich finde es toll, dass wir viele Dinge selbst in der Hand haben. Aber dieses ständige: „Das könntest du noch verbessern und das und das und das …“ ist zu viel.
Selbstsabotage
Wir stehen uns oft selbst im Weg. Wir drehen uns im Kreis, nutzen unser Potenzial nicht und zweifeln ständig an unserem Können. Aufschieberitis und Hochstaplersyndrom sind zwei Anzeichen für Selbstsabotage.
Die Höllenschleife der Prokrastination
- Du zweifelst an deinen Fähigkeiten: Alles scheint überwältigend und du fühlst dich nicht gut genug. Deshalb fängst du gar nicht mit einem neuen Projekt an.
- Du prokrastinierst: Du schiebst alles immer wieder auf, weil du Angst vorm Scheitern hast.
- Du hast Angst vorm Scheitern: Du zweifelst, dass du nicht genug weißt, um an dein Ziel zu gelangen.
- Du glaubst, um an dein Ziel zu gelangen, musst du dich mehr vorbereiten: Du machst 100 Kurse, bevor du anfängst.
- Du fängst nicht an: Du zweifelst so sehr an deinen Fähigkeiten, dass du trotz der 100 Kurse gar nicht anfängst.
- Du zweifelst an deinen Fähigkeiten …
Durchbrich die Schleife. Wie die Zeitschleife in Und täglich grüßt das Murmeltier. Erst als Bill Murray aufhört, in Selbstmitleid zu baden und den einen Tag immer und immer wieder sinnvoll gestaltet, durchbricht er die Zeitschleife.
- Mach kleine Schritte, aber komm ins Tun: Babysteps sind besser als keine Steps. OMG, was ich für eine Angst hatte, als ich das erste Mal eine Kurzgeschichte an eine Zeitschrift geschickt habe. Das bereitet mir mittlerweile keine Sorgen mehr, weil ich es dutzende Male gemacht habe. Theorie aus Büchern ist nett, aber wir lernen durchs Tun. Marcel Hirscher hat das Skifahren sicher nicht aus einem Ratgeber gelernt.
- Du bist keine Hellseherin: Verbanne den Satz „Das werde ich nie schaffen!“ aus deinem Vokabular. Du hast keine Glaskugel und bist nicht Professor Trelawney.
- Vergleiche dich nicht mit anderen Menschen: Andere, die dein Ziel geschafft haben, sind nicht besonderer oder wertvoller als du und mussten auch bei null anfangen.
- Drehe deinen Fokus um: Versteif dich nicht auf Misserfolge, sondern Erfolge. Egal wie klein sie sind.
- Perfekt gibt es nicht: Behalte das große Ganze im Auge und verliere dich nicht in 1001 Details. Sehr gut ist besser als perfekt und viel, viel besser als gar nichts.
- Gehe nicht vom Ideal aus: Wir alle tappen bei der Zeiteinteilung in die Falle, dass wir vom Idealzustand ausgehen. Schraube deine Erwartungen, Ziele und Anforderungen herunter. Du bist kein Roboter. Plane Fehler, unerwartete Schwierigkeiten und deinen Alltag ein.
Auch das ist ein Prozess. Nur weil du eine Schleife durchbrochen hast, heißt das nicht, dass du nie wieder in einer anderen gefangen wirst. Beim nächsten Mal bist du hoffentlich besser darauf vorbereitet und du kannst schneller ausbrechen.
Impostor-Syndrom: das Hochstaplersyndrom
Viele erfolgreiche Menschen haben es: das Impostor-Syndrom. Das Gefühl, ein Scharlatan zu sein und jeder Zeit auffliegen zu können. Trotz Beweise meinen wir, dass wir uns Erfolge erschlichen haben und sie nicht verdienen.
„Sie werden irgendwann draufkommen, dass ich nix kann. Ich bin ja nur durch glückliche Umstände so weit gekommen und hatte eine Menge Hilfe von anderen. Das nächste Projekt wird der größte Flop in der Geschichte der Menschheit.“
Diese Einstellung ist nicht nur negativ, sondern selbstbezogen. Niemand macht sich so viele Gedanken über unseren Erfolg oder unser Können wie wir selbst. Dabei sollte es ja um die Menschen gehen, denen wir mit unserer Expertise helfen. Zu deinem Wert stehen bedeutet nicht, ein Großkotz zu sein.
Hier braucht es einen Mindsetshift: Was ist mein Wert? → Was ist der Wert, den ich anderen gebe?
Wie du dich nicht mehr unter Wert verkaufst
Um diesen Wert zu erkennen, musst du herausfinden, ob es Anzeichen gibt, dass du dich unter Wert verkaufst.
Anzeichen, dass du dich unter Wert verkaufst
- Du arbeitest zu viel und verdienst zu wenig. Das kann auch andere Gründe haben (z.B. schlechtes Zeitmanagement), es ist aber ein gutes Indiz.
- Wenn deine Preise noch nie jemanden abgeschreckt haben, sind sie vielleicht zu niedrig. Wenn dir jeder ohne Muh, Mäh und Verhandeln deine Preise bezahlt, ist es Zeit dein Angebot zu überdenken. Falls Kunden gar fragen, warum du so günstig bist und wo der Haken ist, dann müssen die Alarmglocken bimmeln wie die Pummerin zu Silvester.
- Nutze Instinkt und Intuition. Wenn du bei einem Preis ein mulmiges Gefühl hast, überdenke ihn.
- Das Ausreden-Einmaleins. „Die Preise sind marktüblich.“ Das macht sie nicht fair. „Kunden können sich diese hohen Preise nicht leisten.“ Das Konto deiner Kunden geht dich nix an. „Die Konkurrenz ist zu groß.“ Hast du dich spezialisiert? Was ist dein Alleinstellungsmerkmal? „Ich stehe erst am Anfang.“ Jeder stand mal am Anfang. Du darfst trotzdem essen und dir eine Wohnung leisten.
Wie du deinen Wert erkennst
Wir sind es gewohnt, Dinge prompt und fehlerlos zu bekommen. Weißt du, wie viel Arbeit hinter der Produktion eines einzigen Salatkopfes steckt? Ich weiß es nicht. Trotzdem liegt er jeden Samstag in sattem Grün zwischen seinen Kollegen im Supermarkt.
Ich hatte bei einem Ratschlag von anderen Unternehmerinnen immer ein mulmiges Gefühl: Wenn du eine gute Leistung bietest, darfst du auch mehr dafür verlangen. Aber woher weiß ich, dass ich gut bin? Vielleicht ist meine Leistung nicht viel Wert? Das kann ja auch sein. Ich habe mich immer davor gescheut, mit dem Schreiben anzufangen. Was, wenn ich es gar nicht kann?
Die schlechte Nachricht: Ich kann dir nicht sagen, ob deine Leistung gut genug ist. Die gute Nachricht: Mit mehr Erfahrung wirst du besser, niemand verlangt, dass du die Beste ever bist und du musst nicht 100 Kunden und Auszeichnungen haben, um als Expertin zu gelten. Wenn du mehr über ein Thema weißt als Laien, bist du Expertin.
Stelle dir folgende Fragen:
Kann ich einen Bedarf decken?
Maria ist Ernährungsberaterin. Der Bedarf ist da, viele Menschen wollen sich gesünder ernähren und sehen vor lauter Trenddiäten die Salatschüssel nicht mehr. Maria hilft ihnen dabei, ihre Ernährungsgewohnheiten auf Dauer umzustellen.
Was mache ich besonders gerne? Wie kann ich mich spezialisieren?
Maria spezialisiert sich auf vegane Ernährung. Sie selbst lebt seit Jahren vegan, es ist ihr Herzensthema. Sie weiß um die Schwierigkeiten am Beginn einer veganen Ernährung und möchte es für ihre Klienten einfacher gestalten.
Was biete ich an, was andere nicht bieten? Was ist mein Alleinstellungsmerkmal?
Maria findet viel unwissenschaftlichen Blödsinn im Internet, wenn es um vegane Ernährung geht. Sie untermauert ihre Behauptungen immer mit wissenschaftlichen Studien und zieht so ein bestimmtes Publikum an: Menschen, die sich vegan ernähren wollen, ohne nebulöses Geschwafel.
Nie mehr unter Wert verkaufen
Viele haben Schwierigkeiten, den eigenen Wert zu erkennen. Das ist normal, du kannst dich ja nicht mit deinem Ich aus der Zukunft vergleichen. Ein Vergleich mit großen Fischen aus deiner Branche ist vor allem am Beginn deiner Selbstständigkeit mehr schädlich als nützlich.
Der Wert unserer Arbeit fängt bei unserem Selbstwert an. Wenn wir den nicht anerkennen, nehmen andere unseren Wert auch nicht wahr.
Hast du oder hattest du Schwierigkeiten mit deinem eigenen Wert? Denkst du, dass deine Preise vielleicht zu niedrig sind? Hast du eine Idee, wie du das Problem lösen kannst? Schreibe es gerne in die Kommentare!