Werbung soll uns von einem Produkt überzeugen. Wir glauben, dass wir beim Kauf rationale und bewusste Entscheidungen treffen. Das sind nur zwei Faktoren neben vielen anderen. Die meisten Entscheidungen treffen wir unbewusst. Ist Werbung Manipulation? Was ist der Unterschied zwischen Manipulation und Überzeugung? Und was hat Marketing mit Schrödingers Katze zu tun?

Definition Manipulation

Das Wort Manipulation kommt von lateinisch manipulus und bedeutet „etwas in der Hand haben“ oder übertragen „Handgriff“ oder „Kunstgriff“. Eine Manipulation erfolgt, wenn eine Person gezielt zum eigenen Vorteil beeinflusst wird, ohne dass diese Person sich dessen bewusst ist.

Manipulative Werbung kann

  • subliminal (unterhalb unserer Wahrnehmungsgrenze),
  • getarnt (Werbung ist nicht als solche gekennzeichnet) oder
  • verfälschend (vermittelt falsche oder irreführende Information) sein.

Überzeugung vs. Manipulation

Um herauszufinden, was Manipulation ist und was nicht, unterscheiden wir zwei Begriffe: Überzeugung und Manipulation.

Überzeugung = jemandem wird etwas glaubhaft gemacht.

Bsp.: Vorher-Nachher-Bilder ohne Photoshop und Instagramfilter.

Manipulation = jemandem wird mit Hilfe von Täuschungen etwas glaubhaft gemacht.

Bsp.: Vorher-Nachher-Bilder mit Photoshop und Instagramfilter.

Die Grenzen zwischen Überzeugung und Manipulation sind fließend und dabei gibt es weitere Abstufungen. Denn auch bei der Überzeugung sind wir uns nicht immer bewusst, dass wir überzeugt worden sind.

  • Zwang: Wir werden bedroht oder verletzt, wenn wir den Schokomuffin nicht kaufen.
  • Betrügerische oder irreführende Manipulation: Uns wird versprochen, dass der Schokomuffin gesünder ist als Obst und Gemüse.
  • Emotionale Überzeugung: Wenn wir den Schokomuffin essen, werden wir uns besser fühlen.
  • Rationale Überzeugung: Der Schokomuffin ist ein leckeres Dessert.
  • Fakten und Information: Der Schokomuffin kostet € 3,49, besteht aus diesen Zutaten und schaut saftig aus.

Werbung wirkt

Wir führen einen Großteil unserer Handlungen im Alltag unbewusst aus. Beim Autofahren denken wir nicht übers Schalten, Bremsen und Lenken nach, wir tun es einfach. Weil uns unsere Handlungen nicht bewusst sind, glauben viele, dass Werbung bei ihnen nicht wirkt. Das ist ein Irrtum.

Wir kaufen nicht rational

Experimente zeigen, dass wir unbewusst langsamer gehen, wenn wir vorher Wörter wie langsam, alt oder Greis gelesen oder gehört haben. Warum sollte uns Werbung dann nicht beeinflussen?

Wir sind manipulierbar, ob wir wollen oder nicht. Das bedeutet nicht, dass wir wie ferngesteuert durch die Welt irren und hirnlos konsumieren.

Werbung kann uns nicht dazu verleiten etwas zu kaufen, was wir weder wollen noch brauchen. Als Vegetarierin ist mir der saftige Fleischburger vom TV-Bildschirm herzlich wurscht. Will ich mir einen neuen Schreibtisch kaufen, wirkt Marketing. Wir achten automatisch mehr auf Werbung, wenn wir aktiv auf der Suche sind. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle: Material, Preis, Gesundheit, aber auch eine gelungene Werbung: Hat sie mich unterhalten? Ist sie gut geschrieben? Wie sieht die Website des Herstellers aus?

EXKURS: Haben wir einen freien Willen?

Die schnelle Antwort ist: Nein. Ich hoffe, das stürzt niemanden in eine Existenzkrise. Wenn wir keinen freien Willen haben, sind wir unserem Schicksal gnadenlos ausgeliefert?

Ganz so düster ist es nicht, aber aus neurobiologischer Sicht haben wir tatsächlich keinen freien Willen. Das gesamte Nervensystem unterliegt einer kausalen Kette. Ein Zustand wird immer von einem vorhergehenden Zustand bestimmt. Trotzdem können wir langfristige Entwicklungen nicht vorhersehen. Winzige Abweichungen von dieser kausalen Kette führen zu einem komplett anderen Verlauf.

Denken wir an den Schmetterlingseffekt und das Wetter. Wir können das Wetter für den nächsten Tag sehr exakt vorhersagen, das Wetter in drei Wochen so gut wie gar nicht.

Das kennen wir aus der Quantenmechanik. Subatomare Teilchen können verschiedene Zustände gleichzeitig annehmen. Erst wenn wir die Teilchen messen, nimmt es einen einzigen Zustand an. Das geschieht zufällig (oder doch nicht?). Außerdem beeinflussen wir mit der Art der Messung den Zustand.

Freier Wille ist wie Schrödingers Katze: vorherbestimmt und gleichzeitig komplett zufällig.

Der Moment, indem die Mietz erfährt, dass sie bei Schrödingers Experiment mitmacht 😲

Spam-Filter Gehirn

Es prasseln jeden Tag so viele Reize und Informationen auf uns ein, dass wir ohne Filter verrückt werden würden. Unser Gehirn erledigt diese Aufgabe für uns. Was es bei einer Werbung für wichtig hält und was nicht, hängt von vielen Faktoren ab.

Zu den wichtigsten Werbefaktoren gehören:

  • Einfachheit: Bei der Reizüberflutung hilft eine klare, einfache Werbung.
  • Emotion: Ist wichtiger als der Verstand.
  • Sinne: Vor allem Farben verbinden wir mit bestimmten Gefühlen oder Werten.
  • Deals: Wir wollen Verluste vermeiden, weshalb künstliche Verknappung so gut funktioniert (Stichwort: FOMO).
  • Grundlegende menschliche Bedürfnisse: Nahrung, Wasser, Schlaf, Sicherheit.
  • Symbole: Sie beruhen auf unseren Bedürfnissen (z.B. vermittelt ein in weiche Tücher gewickeltes Kind Sicherheit und Geborgenheit).

Wir kaufen selten nach einem einzigen Werbespot. Werbung muss öfter wiederholt werden, damit sie uns im Kopf bleibt. Sie geht uns zwar schnell auf die Nerven, wirkt aber durch diese Dauerschleife besser. Wir greifen eher zum Duschgel, das wir aus dem Fernsehen oder Internet kennen, wenn wir dann im Supermarkt vor Dutzenden Flaschen stehen. Wie sollten wir uns sonst entscheiden?

Wenn wir das Produkt kennen und es unseren Vorstellungen entspricht, greifen wir immer wieder dazu. Wir sind Gewohnheitstiere. Deshalb spielt nicht nur die Werbung selbst, sondern vor allem die Marke dahinter eine bedeutende Rolle bei unseren Entscheidungen.

Markenbildung und zwielichtige Methoden

Wenn wir Marken mit positiven Eigenschaften verbinden, kaufen wir deren Produkte. Das wissen die Unternehmen, weshalb sie uns manchmal hinters Licht führen.

Image polieren

Eine der beliebtesten Methoden ist das Greenwashing. Die Klimakatastrophe ist — trotz anderer Krisen — das Thema in diesem Jahrhundert.

Unternehmen präsentieren sich als umweltbewusst, ohne dass es Beweise für die grünen Versprechen gibt. Im schlimmsten Fall ist das Gegenteil der Fall: Die Firma ist sogar umweltschädlicher als die Konkurrenz, kann das aber mit Schlagwörtern und Imagekampagnen verschleiern. Oft sind die Produkte zwar beim Gebrauch umweltfreundlicher, nicht aber bei der Produktion.

Unternehmen inszenieren sich als Teil der Lösung des Problems. Kaufen wir deren Produkte, haben wir das Gefühl einen kleinen Beitrag zu leisten.

Wir geben gerne mehr Geld aus, wenn Produkte als umweltschonend, gesünder und nachhaltig proklamiert werden. Manchmal stimmt das auch. Allerdings ist das Thema Nachhaltigkeit zu komplex, um im Alltag durchzublicken. Der regionale Apfel ist nicht immer die umweltfreundlichste Option, nur weil der Weg vom Feld in den Supermarkt kürzer war.

Produktplatzierungen

Kein James Bond ohne Aston Martin, in den Transformers-Filmen gibt’s von Maischips bis zum Bluetooth-Lautsprecher alles zu sehen. Der Kaffeegigant Starbucks ist in Film und Fernsehen schon mehrmals um die Welt gereist. Nicht nur in unserer Welt, Starbucks hat es bis nach Westeros geschafft: Ein Kaffeebecher in Game of Thrones sorgte für Furore (Spoiler Alert: Es war nicht einmal ein Starbucks-Becher).

Produktplatzierungen sind nicht per se schlecht. Die Schauspieler müssen ja in irgendwelchen Vehikeln durch die Straßen kurven. Problematisch wird es, wenn die Unternehmen hinter den Produkten zu viel kreative Kontrolle haben.

Das Militär in den USA ist nicht nur in Produktionen zu sehen, es ist daran beteiligt. Auf der einen Seite ist es verdammt schwer für die Filmemacher, ohne Hilfe vom Pentagon auszukommen. Ein Dutzend Militärhelikopter und eine Militärbasis nachbauen, kostet Unmengen Geld. Das Pentagon kann das zackbumm bereitstellen. Auf der anderen Seite sind militärpositive Botschaften überproportional oft in Filmen vertreten.

EXKURS: Film — Der Maestro der Manipulation

Dass uns Filme beeinflussen, ist kein Geheimnis und mittlerweile ein Teilgebiet der Neurowissenschaft. Neurocinema untersucht, wie Film unser Gehirn beeinflusst.

Ist es schlecht, wenn uns Filme beeinflussen oder gar manipulieren? Zur Klarstellung: Ich meine damit fiktionale Geschichten. Dokumentationen, Reality TV und Co. sind eine eigene Baustelle.

Immer wieder beschweren sich Publikum und Kritiker über manche Filme, dass sie so manipulativ seien, vor allem emotional. Das Paradoxe ist, dass wir einen Film als zu manipulativ empfinden, wenn es ihm nicht gelingt, uns zu manipulieren. Wenn wir merken, dass jetzt besonders auf die Tränendrüse gedrückt wird. Wenn Filme ihre Tricks zu offensichtlich zeigen, fühlen wir uns betrogen.

Ein Film wie The Sixth Sense hingegen manipuliert uns von hinten bis vorne, wir fühlen uns aber nicht hinters Licht geführt und genau deshalb ist er so großartig. Er ist so subtil, dass wir den Twist am Ende des Films erst dann bemerken, wenn M. Night Shyamalan das will.

Filme machen ist Manipulation. Das beginnt beim bewegten Bild, das nur entsteht, indem wir statische Bilder schnell genug hintereinander zeigen. Schon mal einen Horrorfilm mit witziger Musik und anderem Sounddesign angesehen? Zum Totlachen!

Ist Werbung Manipulation und ist das immer negativ?

Ob uns Werbung manipuliert oder nicht, verantwortlich für den Kauf sind beide: Konsumenten und Verkäufer. Wir sind nicht bloße Marionetten der Werbebranche und besitzen einen Teil der Verantwortungstorte.

Das Ziel sollte sein, Aussagen kritisch zu hinterfragen und sich so ein Stück Verantwortung zurückzuholen. Ist das Waschmittel wirklich umweltfreundlicher? Kann ich mir den Aston Martin leisten (sicher nicht)? Und auch mal anerkennen, wenn eine Werbung gut gemacht ist und den verdammten Schokomuffin essen.

Ist Werbung für dich manipulativ? Kennst du ein unverschämtes Beispiel? Schreibe es gerne in die Kommentare!