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Storytelling und menschliche Gehirne haben eine Menge gemeinsam. Sie beruhen auf Vernetzungen, die aus der Flut an Informationen Sinn herstellen. Darum darf Storytelling in deinem Unternehmen nicht fehlen: Deine Kunden verarbeiten öde Infos schlechter. Verpackst du sie in Geschichten, kommt deine Botschaft bei den Menschen an. Ich zeige dir warum Storytelling für Unternehmen wirkt und warum alles beim Sitzen ums Lagerfeuer angefangen hat.
Unsere Gehirne: It’s all about science!
Der Unterschied zwischen Realität und Fiktion spielt keine Rolle.
Das ist jetzt keine erkenntnistheoretische Streitfrage, sondern das Motto in unseren Köpfen. Das menschliche Gehirn macht keinen großen Unterschied zwischen einer erfundenen und einer wahren Geschichte.
Wenn wir detaillierte Beschreibungen lesen, verhält sich unser Gehirn so, als würden wir das Gelesene tatsächlich erleben.
Lesen wir das Wort Kaffee, wird zum einen unsere Sprachregion aktiv. Zum anderen reagiert der Bereich, der für das Riechen zuständig ist. Bei Wörtern wie Schlüssel hingegen, reagieren Regionen, die für Sinneswahrnehmungen zuständig sind, nicht.
Hören oder lesen wir von einem Sänger, der eine samtweiche Stimme hat, wird der sensorische Cortex tätig. Hat der Sänger eine gute Stimme, dagegen nicht.
Regionen, die unsere Sinneswahrnehmung ansprechen, reagieren auf präzise beschriebene Wörter. Wir erleben die Beschreibungen, als würden wir sie hören, schmecken, riechen, fühlen oder sehen. Verwenden wir vage Begriffe, rührt sich weniger in unseren Hirnregionen (einer von vielen Gründen nichtssagende Adjektive wie die Pest zu meiden).
Empathie
Autoren von Fiktion müssen sich in ihre Figuren hineinversetzen, Copywriter in ihre Kunden und deren Kunden.
Nicht nur das Schreiben kurbelt den Empathiemotor an, sondern auch das Lesen von Romanen. Geschichten verändern die Gehirnchemie und machen uns empathischer.
In Romanen lesen wir von den unterschiedlichsten Charakteren, erleben ihre Reisen und fühlen mit ihnen. So lernen wir, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Wir verlassen unsere eigenen Seifenblasen und werden mit fremden Meinungen konfrontiert. Fiktionale Figuren lehren uns, die Welt mit frischen Augen zu sehen.
Als ich von Downton Abbeys Ruhm als von Kritikern am besten bewertete Serie gehört habe, dachte ich: „Im Ernst?! Ich soll mit einer Horde von unverschämt reichen Adeligen aus dem Jahre Schnee mitfühlen, wie sie mit schweren Roben in ihrem riesigen Schloss auf- und abschreiten?!“ Dann habe ich mir die erste Folge angesehen und war nach fünf Minuten überzeugt. Die Charaktere in der Serie sind genauso Menschen mit Gefühlen, Problemen und Stolpersteinen (z. B.: Wie findet man ohne Tinder einen männlichen Erben?).
Warum funktioniert das Prinzip der Antihelden wohl so gut? Es erlaubt uns in einer sicheren Umgebung, Dinge auszuleben, die wir nie im echten Leben machen würden. Dasselbe gilt für das Horrorgenre: Ob Michael Myers seine Schwester tatsächlich mit einem Messer verfolgt oder nicht, ist fürs Gehirn zweitrangig. Wir erleben die Gefahr, das Weglaufen, hören die Schreie, das schwere Atmen. Dank unserer Empathie fühlen wir mit seiner Schwester Laurie mit.
Storytelling und Evolution
Evolutionsbiologisch haben Geschichten nicht die Aufgabe, dass wir uns vor Netflix hocken und mal für ein paar Stunden abschalten. Ausgedachte Szenarien haben den Zweck, uns für den Ernstfall vorzubereiten.
Formel-1-Fahrer verbringen Stunden über Stunden in einem Simulator. Dort können sie in einer sicheren Umgebung Dinge ausprobieren, Kurven anders nehmen, Extreme ausreizen. Würden sie das auf dem Ring machen, würden sie in der ersten Kurve hinausfliegen.
Geschichten sind Spielwiesen für den Geist und das Erzählen von Geschichten begann im Kreis sitzend um ein Feuer.
Wir verdanken dem Feuer einiges: Nahrungszubereitung, Schutz vor wilden Tieren, Wärme, Licht und Zusammenhalt. Als Jäger und Sammler setzten wir uns abends rund ums Lagerfeuer und erzählten Geschichten. Der Mensch hat unter anderem überlebt, weil er sich zu Gruppen zusammengeschlossen hat.
Nicht nur erfundene Lagerfeuergeschichten verbinden, sondern auch Plauderei. Klatsch und Tratsch. Gossip Girl 10.000 BC.
Der britische Anthropologe Robin Dunbar stellt in seinem Buch Grooming, Gossip and the Evolution of Language die These auf, dass Tratsch den Zusammenhalt fördert und durch das Bedürfnis nach Tratsch Sprache entstanden ist.
Muster und warum reine Fakten öde sind
Ich habe mich immer gewundert, warum ich mir beim Auswendiglernen oder bei Mathe so schwertue.
Im Germanistikstudium hatten wir einen Kurs, in dem auch einige Jusstudenten waren. Sie erzählten von den Unmengen an Fakten, die sie auswendig lernen mussten. Ich war froh, dass sich mein Auswendiglernen auf ein paar rhetorische Figuren und Versmaße beschränkte.
Unsere Gehirne sind keine Computer. Sie sind dazu gemacht, Geschichten zu verstehen, nicht Logik, nackte Fakten oder Zahlen. Gedächtnissportler erfinden Geschichten, um sich eine Unmenge an Zahlen zu merken.
Das Gehirn besteht aus Vernetzungen und Zusammenhängen, genau wie Geschichten.
Gehirne mögen Mustervorlagen, weil sie das Speichern von Information vereinfachen. Außerdem stellt es Kausalzusammenhänge her und füllt mögliche Lücken. Das ist der Grund, warum es sich manchmal täuschen lässt. Wir alle kennen Steckdosen, die wie Gesichter aussehen oder Dreiecke, die miteinander kämpfen.
Die Psychologen Marianne Simmel und Fritz Heider führten 1944 ein Experiment durch, bei dem sie Probanden ein Video mit geometrischen Figuren zeigten.
Fast alle Zuseher erkannten Emotionen, Absichten und Verhalten in den Figuren.
Storytelling für ein unterschiedliches Publikum
Bei all den Mustervorlagen ist es wichtig, die Erwartungen deiner Leser und Zuhörer herauszufordern. Ein und dieselbe Geschichte immer wieder zu erzählen, birgt die Gefahr, langweilig zu sein, wenn sie zu vorhersehbar ist.
James Camerons Avatar ist ein Paradebeispiel. So technisch innovativ und wunderschön der Film auch ist, jeder Plot Twist ist meilenweit vorhersehbar.
Storytelling ist ein Spiel aus Regeln befolgen und Regeln brechen.
Eine gute Geschichte erzählen reicht allerdings nicht aus, schon gar nicht im Marketing. Erzähler und Publikum müssen dieselbe Sprache sprechen.
Rechtliche Texte zum Beispiel sind schwer für uns Normalos zu verstehen. Sie sind in einer bestimmten Fachsprache für ein bestimmtes Publikum geschrieben. Unter Anwälten ist so ein Text ein Klacks. Ich verstehe oft nicht einmal den ersten Absatz.
Hier kommt das Herausarbeiten von Zielgruppen ins Spiel: Wen spreche ich mit meinen Stories an?
Wenn du versuchst, alle anzusprechen, sprichst du niemanden an.
Clickbait und die Geschichte vom Selbst
Langweilige Aufzählungen passen auf einen Beipackzettel, der die einhundertundeins möglichen Nebenwirkungen von Schmerzmittel x aufzählt. Im Marketing sind sie fehl am Platz.
Wir haben Aufmerksamkeitsspannen so winzig wie Atomkerne. Niemand schaut sich in seinem Twitter-Feed ein Video vom ollen Max an, der alle Primzahlen aufsagen kann. Nach drei Sekunden scrollen wir weiter.
Ausschweifende Naturbeschreibungen oder absatzlange Sätze überlassen wir lieber Adalbert Stifter oder Thomas Mann. (Side Note: Ich bin ja nicht immer ein Freund des schnellen Storytellings. Deshalb sind ältere Filme oft eine Wohltat im Gegensatz zur moderneren Schnitttechnik im MTV-Video-Stil.)
Egal wie kurz Geschichten sind, wenn sie spannend erzählt werden, vermehren sie sich in den sozialen Medien schneller als antibiotikaresistente Bakterien.
Nicht nur Kürze ist die Würze: Je kontroverser und extremer eine Geschichte oder Meinung, desto eher wird sie geteilt. Für eine Clickbait-Story bekommen wir viel mehr Likes, Shares und sonstiges Gedöns als für ein liebes Geschichtlein, das auf einer flauschigen Cumuluswolke daher schwebt.
Das heißt nicht, dass wir uns verstellen oder unsere Biografie aufmotzen sollen, damit wir mehr Klicks bekommen. Authentisches Marketing ist nicht ohne Grund ein Buzzword.
Allerdings will niemand einen kalten Lebenslauf in Stichpunktformat ohne Emotionen oder Spannungsbögen auf deiner Über-Mich-Seite lesen.
Unsere Lebensgeschichte ist keine starre Biografie, die jeden Tag von unserer Geburt bis zum Jetzt durchdekliniert ist. Wir schmücken sie aus, lassen weg, fokussieren uns auf einschneidende Erlebnisse. Und wir schreiben sie jeden Tag weiter, immer in einem neuen Licht.
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