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Ab wann bist du Autor oder Schriftsteller? Wenn du deinen ersten Roman veröffentlicht hast? Geld mit einer schreibenden Dienstleistung verdienst? Oder reicht die Tätigkeit des Schreibens allein, um Autor zu sein?
Vor einiger Zeit bin ich auf Chuck Wendigs Blog Terribleminds gestoßen. Sein ungefilterter, derber Schreibstil hat mich sofort angesprochen. Wendig ist Autor, steht auf Bestseller-Listen und ist eines der Opfer der unheiligen Allianz zwischen Marvel und Disney.
Ein Blogartikel hat meine Vorstellung vom Autorenberuf grundlegend verändert. In dem Artikel 25 Things I Want To Say To So-Called “Aspiring” Writers nennt Wendig 25 Gründe, warum du ein Autor bist, wenn du schreibst. Nicht, wenn du damit Geld verdienst oder einen Bestsellerroman in deiner Vita stehen hast.
Ich stelle dir Wendigs Artikel vor, zähle seine 25 Punkte auf und gebe sie in eigenen Worten wieder. Egal, ob du gestern deine ersten Zeilen geschrieben hast oder du seit 20 Jahren im Schreibergeschäft bist: Nagle dir Wendigs 25 Thesen an die Pinnwand!
Schriftsteller vs. Autor
Vor Wendigs 25 Gründen versuche ich, den Begriff aspiring writer zu defineieren.
Am besten lässt sich dieses seltsame aspiring mit „angehend“ oder „anstrebend“ übersetzen. Gibst du in Google angehender Schriftsteller ein, spuckt dir die Maschine Ergebnisse aus à la: „Du verdienst mit dem Schreiben noch kein Geld, willst aber in Zukunft deinen Lebensunterhalt damit verdienen.“
Duden und im DWDS definieren Schriftsteller so: „jmd., der (beruflich) literarische Werke schreibt, verfasst“. Du siehst: Selbst Duden und DWDS sind sich nicht sicher, ob ein Schriftsteller Geld verdienen muss, um als solcher zu gelten. Außerdem impliziert das Wort, dass du literarische Texte, z.B. Romane schreibst.
“Autor” ist meiner Meinung nach eine bessere Übersetzung für writer, weil der Begriff alle Schreibenden miteinbezieht.
Laut Duden ist „Autor“ ein „Verfasser eines Werkes der Literatur, eines Textes“. DWDS definiert den Begriff als den „Verfasser eines Textes“. Du musst kein Geld verdienen, um ein Autor zu sein.
Der Meinung ist auch Chuck Wendig und ich ebenso. Denn das wichtigste beim Schreiben ist, dass du schreibst. Das Geld, der Bestsellerroman, die Fangirls kommen später.
Mit Wendigs Hilfe treibe ich dir den Aspiring Writer Bullshit aus wie der Priester den Dämonen im Exorzisten. Hör auf am Weihwasser zu schnüffeln und richte deinen Kopf nach vorne, los geht’s!
1. Entweder du schreibst oder nicht
Sein oder Nichtsein, Schreiben oder nicht Schreiben. Es gibt keinen Zustand dazwischen, das ist nicht Schrödingers Katze. Mach die Schachtel auf und schau rein: Entweder du schreibst oder nicht. Wenn du schreibst, bist du Autorin, wenn nicht, bist du keine Autorin. Die angehende Autorin gibt es nicht.
2. Du kannst andere Dinge angehen oder anstreben
In Punkt 1 haben wir gelernt, dass du das Schreiben nicht anstreben kannst. Dafür kannst du andere Zustände anstreben: ein veröffentlichter, ein bezahlter, ein berühmter Autor sein. Und alle Autoren sollten anstreben, ein besserer Autor als am Tag zuvor zu sein.
3. Jeder will Autor sein
Kennst du das? Bekannter xyz sagt zu dir: „Ich werde sicher mal ein Buch schreiben. Ich habe soooooo viel erlebt und mein Leben ist ja sooooo verrückt. Das muss man einfach aufschreiben.“ Mir fallen innerhalb einer Sekunde 10 Leute ein, die alle „irgendwann mal ein Buch schreiben“. Dein Mindset als Autorin ist anders. Du willst nicht irgendwann mal ein Buch, einen Blogartikel, einen Ratgeber schreiben. Du tust es einfach.
4. Dein Weg
Das Internet quillt über vor den vielen mehr oder weniger hilfreichen Tipps, um ein bezahlter Autor zu werden. Wege, wie du dort hinkommst, gibt es unzählige. Die 17-jährige mit Verlagsvertrag. Hollywood-Drehbuchautoren, die vorher jahrzehntelang als Anwälte gearbeitet haben. Dein Weg liegt irgendwo dazwischen.
5. Verlass dich nicht auf die Gurus
Dank Punkt 4 weißt du, dass du nicht auf Gurus hören sollst, die dir erklären, dass es nur einen Weg gibt, um erfolgreiche Autorin zu sein. Ratschläge und Tipps, um den Prozess zu beschleunigen: Super! Einen deppensicheren Weg: Gibt’s nicht.
6. Hochstapler-Syndrom
Das imposter Syndrom geht nie weg. Egal, wie erfolgreich du bist. Nach jedem Bestseller fragen sich Autoren wie Wendig: „Wird das auch beim nächsten Buch so sein? Wann kommen sie mir auf die Schliche, dass ich ja gar nicht schreiben kann?“ Autoren, die noch nichts veröffentlicht haben sagen sich: „Ich kann das ja gar nicht, ich werde nie was veröffentlichen. Die anderen sind sowieso besser als ich.“ Wenn du trotz des Hochstapler-Syndroms weiter schreibst, gratuliere: Du bist Autor.
7. Lerne, wie du schreibst
Schreiben lernen ist eine Sache. Deinen Stil finden, ist eine ganz andere, die du nur lernst, indem du schreibst. Das ist bei jedem Handwerk so. Schau dir einen Tim-Burton-Film an. Du erkennst ihn sofort. Burton hat wie jeder andere Regisseur das Handwerk erlernt und später seinen Stil entwickelt.
8. Beende, was du angefangen hast
Wenn du keine Abgabetermine hast, fällt dir eine Sache besonders leicht: Angefangene Texte nicht beenden. Wendig nennt es „Finish your shit“ und hat es durch den Google-Übersetzer gejagt: „Vervollständigen Sie Ihre Fäkalien.“
9. Lerne die Regeln des Schreibens
Damit du weißt, wann du sie brichst.
10. Brich die Regeln
Damit du weißt, warum sie wichtig sind.
11. Handwerk Schreiben
Autoren wissen, dass das Schreiben ein Handwerk ist. Der Rest der Welt mag es nicht kapieren, wir schon. Wenn du das Handwerk Schreiben samt seinen Regeln nicht lernst, wird dein Text höchstens für dich ein Meisterwerk sein. Wendig vergleicht das mit dem Malen. Er hat ein tolles Kunstwerk in seinem Kopf, malt drauf los und wundert sich, warum das Ergebnis wie hingekotzt aussieht. Warum? Weil er das Handwerk Malen nie gelernt hat. Jetzt heben mal bitte alle die Hand, die keine Maler sind und versucht haben, ein Selbstporträt zu malen. Schreibt mir in die Kommentare, wie das Ergebnis ausgesehen hat.
12. Ausbildung
Fluch und Segen des Schreibens: Du brauchst keinen Uniabschluss. Willst du Ärztin werden, musst du A, B, C machen. Das gilt nicht fürs Schreiben. Du bist deine eigene Dozentin. Uni oder Ausbildung sind hilfreich, nicht mehr.
13. Lesen macht dich nicht zum Autor
Nur Schreiben. Lesen ist wichtig, vor allem für Autoren. Aber es macht dich nicht zum Autor. Autoren lesen kritisch und analytisch, wenn auch manchmal unbewusst. Wir zerpflücken Story, Struktur, Charaktere, Dialoge etc. und saugen alles wie ein Schwamm auf. Ich garantiere, dass mir meine Stephen-King-Besessenheit mehr über Storytelling beigebracht hat, als jeder Ratgeber (Stephen Kings Ratgeber On Writing ist übrigens spitze).
14. Dein Brotjob
Kündige deinen Brotjob nicht. Noch nicht.
15. Kommerz ist nicht der Feind
Fühle dich nicht schuldig, wenn du kommerziell erfolgreich bist. Nur weil du Geld für deinen Text bekommst, macht ihn das nicht weniger artsy oder künstlerisch wertvoll.
16. Erfolg über Nacht gibt es nicht
J.K. Rowling. Wie viele Verlage haben ihr abgesagt, bevor sie 100 Trillionen Dollar wert war? Vor dem Erfolg mit Harry Potter ist sie unter dem Radar geflogen und hat still und heimlich ihr Handwerk gelernt.
17. Du kannst nicht alles kontrollieren
Dinge, die du kontrollieren kannst: Wie viel Zeit du ins Schreiben steckst, über was du schreibst, wie lange du auf den blanken Bildschirm starrst. Dinge, die du nicht kontrollieren kannst: Ob dein Manuskript unter den tausend anderen auf dem Schreibtisch eines Verlegers verschwindet oder oben auf dem Stapel landet. Ob deine Kurzgeschichte in einer Zeitschrift veröffentlicht wird oder nicht. Du kannst deine Chancen erhöhen, indem du eine verdammt gute Geschichte erzählst. Der weitere Verlauf ist nicht in deiner Hand.
18. Self-Publishing ist nicht der bequemere Weg
Schneller? Ja. Aber bis jemand auf dein Werk aufmerksam wird …
19. Geh den etablierten Autoren nicht auf den Geist
Sie wollen dein Romanmanuskript mit 1000 Seiten nicht lesen. Sie haben zu tun, ihren eigenen Wälzer lesbar zu machen.
20. Beneide die anderen Autoren nicht
Schau nicht zu anderen Autoren auf und sei eifersüchtig. Schau nur zu ihnen auf. Es gibt immer den einen Autor, der erfolgreicher ist, besser schreibt, mehr Aufmerksamkeit hat. Lass dich inspirieren, ohne der beneideten Autorin die Pest an den Hals zu wünschen.
21. Übers Schreiben sprechen ist nicht dasselbe wie schreiben
Autoren: Schreiben und sprechen übers Schreiben. Nicht-Autoren: Sprechen übers Schreiben und schreiben nicht.
22. Verlasse deine Echokammer
Wenn du nur Leute um dich hast, die jeden Text „eh voll super“ finden, such dir anderen Input. Dasselbe gilt für Arschgeigen, die meinen konstruktiv zu kritisieren, obwohl sie alles nur „schlecht“, „beschissen“, „wäh“ finden und dann sagen „Ich bin ja nur ehrlich, du verträgst keine Kritik“. Nein. Du bist ne Arschgeige.
23. Lerne, mit Kritik umzugehen
Ob konstruktiv oder nicht: Es schmerzt. Kritik, Absagen, 1000 Änderungswünsche. Viele Autoren sind Sensibelchen. Müssen wir auch sein, wenn wir uns in Charaktere oder Kunden hineinversetzen. Lerne, was du von der Kritik gebrauchen kannst und was nicht. Und dann schreib weiter.
24. Mach, was du willst
Autoren haben einen Vorteil gegenüber dem Rest der Menschheit: Wir können erschaffen, was wir wollen (Vorsicht, god complex incoming). George R. R. Martin hat Game of Thrones erfunden, weil seine eigene Welt sehr limitiert war. In der Kindheit beschränkte sich seine Reichweite auf 5 Blocks in New Jersey. Dank Martins Fantasie hat er sich vorgestellt, was sich hinter diesen Häuserblocks verbirgt und eine komplexe Welt kreiert.
25. Es gibt eine goldene Regel: Schreibe
Immer ein bisschen besser als am Tag zuvor. Wenn du kein Autor bist, dann wird dich irgendwas aufhalten. Zweifel, Ängste, eine vernichtende Kritik. Aufschieberitis und Hochstaplersyndrom. Die neue Netflix-Serie, die du bingen musst. Ein plötzlicher Arztbesuch obwohl du pumperlgsund bist. Das Spazieren mit deinem Hund, obwohl ihr heute schon auf dem Großglockner wart. Das manische Putzen deines Kühlschrankes, das auf einmal super wichtig ist. Dein Stuhlgang. Wenn dich all das nicht aufhält und du trotzdem weiter schreibst, bist du Autor.
Kannst du dich an deine Anfänge als Autor erinnern? Und wenn du noch nicht begonnen hast, aber davon träumst: Was hält dich auf? Schreib es in die Kommentare!
Hört sich super gut an – also schreiben, schreiben, schreiben – am besten den Roman über die “Tiefmenschen” – meine absolute Favoriten-Geschichte! Liebe Grüße
Ja, die “Tiefmenschen” hab ich auch immer im Hinterkopf. Da werd ich sicher mal ein Romanmanuskript daraus machen.