Wie verdient man Geld mit dem Schreiben? Diese Frage stellte ich mir im Sommer 2018. Über Umwege stieß ich auf die Texterbörse Textbroker. Ich zeige dir, wie die Börse funktioniert, teile meine Erfahrung und nenne 13 Gründe, nicht für Textbroker zu schreiben.

Schreiben und Geld verdienen. Mit meinen Kurzgeschichten, halbfertigen Romanmanuskripten und dem wahnwitzigen Traum vom Drehbuchschreiben in Hollywood. Prädikat: Unwahrscheinlich.

Ich suchte nach Alternativen und stolperte über Sandra Uschtrins Handbuch für Autorinnen und Autoren (8. Auflage). Das zwölfte Kapitel heißt Geld verdienen mit literarischen Dienstleistungen. Ich war entzückt. Weg vom Klischee des brotlosen Künstlers, her mit den Moneten!

Literarische Dienstleistungen

Das Kapitel stellt 6 Dienstleistungen vor:

  • Lesungen: Knorke Idee, wenn du einen Roman veröffentlicht hast. Für alle, die keinen Bestseller in ihrer Vita haben: Thank u, next!
  • Biograf: Nicht übel. Das Leben von Menschen aufschreiben, die nicht schreiben wollen oder können.
  • Schreibkurse: Ähnlich zum Punkt Lesungen. Wenn ich selbst zu wenig Erfahrung mit der Schreiberei habe, gebe ich keine Kurse.
  • Reden schreiben: Für Politiker? Nein danke.
  • Korrektorat und Lektorat: Auch gut, aber ich will ja selber schreiben. Ich brauche einen Lektor, der meine Arbeit zerpflückt, nicht umgekehrt.
  • Ghostwriting: Meine Worte im Namen einer anderen Person veröffentlichen? Nein.

Ich recherchierte weiter. Was sagt Google? Wie verdiene ich mit dem Schreiben Geld?

Textbroker

Ich stieß auf die Plattform Textbroker. Das Prinzip ist simpel: Auftraggeber, die Texte brauchen, lassen sie von den Autoren auf der Plattform schreiben. Meine Äuglein leuchteten. Ist Textbroker die Lösung?

Die vermeintlichen Vorteile von Textbroker:

  • Eine Menge Aufträge: Du hast Zugriff auf viele verschiedene Aufträge zu unzähligen Themen und Fachgebieten.
  • Keine Akquise: Textbroker wirbt damit, dass du nicht auf Kundenfang gehen musst. Du brauchst weder Website noch sonstige Marketing-Techniken, alles läuft über die Plattform. Du legst ein Profil an mit Fähigkeiten und Interessen, mehr nicht.
  • Anonymität: Du arbeitest mit einem Pseudonym. Wenn du null Erfahrung als Texterin hast, verringert das die Hemmschwelle.
  • Die Entscheidung liegt beim Texter: Du bestimmst, welche Aufträge dich interessieren, ob du sie annimmst oder nicht.
  • Freie Zeiteinteilung: Du bist einer von den Wahnsinnigen, die um 5 Uhr morgens ihre Finger geladen haben und in die Tasten hauen? Kein Problem. Du schreibst, wo und wann es dir in den Kram passt. Nur der Abgabetermin ist fix.
  • Verdienst: Je besser deine Schreibe und je länger du dabei bist, desto höher der Verdienst.

Ablauf und meine Erfahrung mit Textbroker

Nach der Registrierung verfasst du einen Probetext, der deine Fähigkeiten als Autor einschätzt. Bei Textbroker darfst du auch Texte einreichen, die du schon veröffentlicht hast. Ich habe einen Text aus meiner Unizeit, der auf einem Online-Kulturmagazin erschienen ist, hochgeladen.

Dann heißt es abwarten. Die Plattform bewertet den Text und vergibt knuffige Sterne. Das ist die vorläufige Einstufung deiner Skills. Von zwei bis fünf Sternen.

Textbroker überprüft laufend deine Texte. Du kannst dich in der Wertung hochschreiben, bei mangelnder Qualität stuft dich die Börse um eine Kategorie zurück.

Mein Ergebnis: Vier Sternderl. Bäm! Meine Motivation tanzte Tango.

Am Beginn hast du Zugriff auf die Open Orders. Kunden stellen ihre Aufträge auf die Plattform. Wer am schnellsten auf die Aufgabenstellung klickt, darf loslegen.

Die Aufträge werden wie die Autoren in Sternekategorien eingeteilt. Stehen neben dem Auftrag vier Sterne, dürfen nur Autoren mit der Einstufung von vier Sternen oder höher diesen Auftrag bearbeiten. Abgerechnet wird nach Cent-pro-Wort-Preisen.

Verdienst bei Textbroker

Momentan (Stand Mai 2019) ist dein Verdienst für die Open Orders folgender:

⭐⭐ 0,70 Cent/Wort

⭐⭐⭐ 0,95 Cent/Wort

⭐⭐⭐⭐ 1,30 Cent/Wort

⭐⭐⭐⭐⭐ 4,00 Cent/Wort

Bist du ein 4-Sterne-Autor und schreibst einen Text mit 1000 Wörtern, bekommst du € 13.

Ich lass das mal sitzen. Nein, ich habe keine Null hinten weggelassen.

13 mickrige Euro?!?!?! Das verdient man also als Profi-Texter. Na bumm. Ich wusste, wie lange ich an 1000 Wörtern bei einer Kurzgeschichte sitze. Und da habe ich weniger Rechercheaufwand.

Wenn wir von einem Stundensatz von € 60 ausgehen, unter dem kein Selbstständiger / Freelancer arbeiten soll, müsste ich das alles in 13 Minuten erledigt haben.

Ich weiß nicht, welche radioaktive Spinne mich beißen muss, damit sich das ausgeht. Spiderman, bitte melden!

Na schön, ich bin fair: Ich halbiere meinen Stundensatz, weil ich keine Erfahrung habe und null Akquise betreibe. Sind wir bei 26 Minuten. Prima. Not.

Direct Order, Team Order und Managed Service

Neben den Open Orders gibt es ja noch die besser bezahlten Direct und Team Orders und das Managed Service.

Direct Order

Hier musst du nicht im Pool nach Aufträgen fischen. Du legst deinen Wortpreis selber fest und hoffst, dass ein Kunde dich anschreibt. Keiner gibt dir so schnell einen Auftrag, wenn du 20 Cent/Wort oder mehr verlangst und ein anderer Texter 4 Cent/Wort. Also legst du den Preis zwischen den vorgeschlagenen 3-5 Cent/Wort fest. Passt. Packt die Taschenrechner aus, der Verdienst steigert sich ins Maßlose. 🙄

Team Order

Habe ich nie kapiert. Ich war in diversen Teams. Da war nie auch nur ein Auftrag zu vergeben. Manche Teams zahlen gar nicht so übel, aber wenn keine Aufträge da sind …

Managed Service

Das Rundumpaket von Textbroker. Die Börse übernimmt das gesamte Projektmanagement für die Auftraggeber und sucht passende Texter aus. Wieder ist der Verdienst besser als bei den Open Orders. Wer sich die besagten 20 Cent/Wort aufwärts erwartet, nix da.

Kannst du von Textbroker leben?

Ja, vor allem am Anfang hast du nicht die Skills, um einen Blogartikel zügig und qualitativ hochwertig zu schreiben.

Ja, es gibt Texter bei Textbroker, die tatsächlich davon leben können. Die texten schon eine Zeit lang und haben sich einen Namen auf der Plattform gemacht.

Ja, es dauert, bis man an die lukrativeren Aufträge kommt. Bis du dort hinkommst, arbeitest du für absolute Dumpingpreise. Und für diese Preise erwarten die meisten Auftraggeber hohe Qualität. Wehe, wenn nicht. Dann liest du mal in einem Forum aus Sicht vom Auftraggeber: „Mit viel Glück findest du gute Texter, mit Pech erwischst du einen der vielen Dumpfbacken auf Textbroker.“ Nice.

Bei dem Verdienst und der Einstellung den Dienstleistern gegenüber ist jegliche Motivation im Keller. Warum sollen sich Autoren die Mühe machen, für solche Preise ordentliche Arbeit zu liefern?

Nach dem 14-Euro-Schock war ich unsicher. Was sagen routinierte Texter zu der Börse? Dank Google stieß ich auf Lilli Koissers Blog. Ihr Artikel zum Thema, was ein Text wert ist, hat mich sofort angesprochen.

Anders als Lilli verabschiedete ich mich nicht gleich wieder von Textbroker. Ich sah die Plattform als Blogartikel-Bootcamp und Crashkurs, da ich ja keine Erfahrung hatte. Nach Lillis Artikel und der miesen Aussicht auf anständige Bezahlung, war klar: Textbroker ist nicht meine Zukunft.

Textbroker Erfahrung

13 Gründe, nicht bei Textbroker zu schreiben

Der Ablauf für einen einzigen Text

  • Auftrag aussuchen: Auch das dauert seine Zeit. Du willst Aufträge annehmen, die zu dir, deinen Interessen und Fähigkeiten passen. Das ist meistens nicht der erste Auftrag, auf den du klickst, sondern der zweite, fünfte oder zehnte.
  • Briefing: Du hast endlich einen Auftrag gefunden, der zu dir passt. Du liest dir das Briefing durch. Mit einer XXL-Portion Glück ist es so formuliert, dass du nach einmaligem Durchlesen verstehst, was der Auftraggeber von dir will. Wenn ein Briefing allerdings drei Zeilen kurz ist, brauchst du einen Mentalisten, um das herauszufinden.
  • Recherche: Du wirst nie einen Auftrag ergattern, bei dem du nicht recherchierst. Selbst wenn du alles über das Thema Hundekrallen schneiden weißt, da du die Prozedur zigmal mit deinem Wuff vollzogen hast. Du recherchierst trotzdem wie eine Bekloppte und schaust fünf Mal nach, in welchem Winkel du die verdammte Kralle schneiden musst. Weil du ein Perfektionist bist, wie so viele Autoren. Weil du deine beste Arbeit abgeben willst.
  • Schreiben: Erst jetzt sind wir beim Schreiben angelangt. Du packst all dein Wissen in den Artikel und haust in die Tasten.
  • Korrigieren und Lektorieren: Der Abgabetermin rückt näher, du liest den Artikel am nächsten Tag durch und bringst Ordnung rein: Rechtschreibung, Grammatik, Keywords unterbringen. Laut vorlesen. Textblöcke hin-und-herschieben, Sätze streichen, kürzen, bessere Metaphern wählen. Die 1000 Wörter anpeilen. Zwischenüberschriften. Formatieren, noch mal laut vorlesen. Und dann schickst du das Ding weg und bist nervös, weil du nicht weißt, ob der Auftraggeber den Text annimmt oder nicht.
  • Änderungswünsche: Dass ein Kunde Änderungswünsche hat, ist normal. Oft sind die Wünsche ähnlich hilfreich formuliert, wie das Briefing.

Dafür bekommst du € 14.

Lohndumping at its best.

Professionelle Webtexte verfassen ist nicht reines in die Tasten hauen, bis ich bei der Marke 1000 Wörter angelangt bin und gut ist.

Weitere Nachteile von Textbroker

  • Kunden abwerben: Du und dein Auftraggeber dürft keine Deals außerhalb von Textbroker machen. Ihr kommuniziert im überwachten System von Textbroker, nicht über eure persönlichen oder geschäftlichen E-Mail-Adressen. Schreibt ihr eine Nachricht à la „Hey, machen wir Text xyz ohneTextbroker“, fliegst du raus.
  • Referenzen: Du darfst die Kunden fragen, ob du den Text als Referenz für deine Website hernehmen kannst. Ganz ehrlich: Die Texte, die ich für die Plattform geschrieben habe, will ich nicht in meinem Portfolio. Nicht, dass sie schlecht sind, aber das Schreiben für die Börse hat mehr mit Fließbandarbeit zu tun, als mit qualitativ hochwertigen Texten.
  • Unique Content: Kann man die Texte unter Unique Content verkaufen? Die Aufträge haben kaum was mit dem oft beschworenen Begriff Mehrwert zu tun. Im Endeffekt recherchierst du ein paar Blogartikel und schusterst einen neuen zusammen. Logisch: Du hast oberflächlichen Kontakt zu den Kunden, arbeitest das Briefing brav ab, streust die Keywords ein und hast wenige Tage Zeit dafür.
  • Briefings: Die Briefings sind zum Teil unter aller Kritik. Das Feedback der Auftraggeber zu meinen Textern war gut. Mit Ausnahme des Auftraggebers des oben erwähnten 3-Zeilen-Briefings. Vorher keine konkreten Angaben zum Stil des Textes und dann kommt zurück, dass die Sätze zu „kindlich“ wirken, weil sie zu kurz sind. Obwohl sonst eine der goldenen Regeln fürs Texten im Internet ist: kurze Sätze. Ich neige sicher nicht dazu, dass meine Sätze zu knapp sind. Wenn, dann sind einige zu lange. (Ich arbeite daran, versprochen).

Die Zahl 13 und das Ende meiner Erfahrung mit Textbroker

Die Zahl 13 verfolgt uns. Nach 13 Texten und € 245,85 (= knapp € 19 im Schnitt pro Text … klont mich 12 Mal, dann ist der Preis in Ordnung) habe ich mich verabschiedet.

  • Ich wollte meine Zeit sinnvoller nutzen und habe sie in den Aufbau meiner Website und Weiterbildung investiert.
  • Wenn ich mich für diese Preise hergebe, bin ich Teil des Problems. Kunden sind der Meinung, dass die Dumpingpreise normal sind.
  • Das ist meinen Texterkollegen gegenüber nicht fair, die mit besagten Kunden zu kämpfen haben. Auch außerhalb von Textbroker.

Ich verurteile Textbroker nicht als Teufelszeug, auch wenn es prima zur Zahl 13 passt. Nach Open-Order-Regel hätte ich für diesen Text übrigens € 23,40 verdient. Spiderman hat sich nie gemeldet.

Hast du Erfahrungen als Texter oder Auftraggeber mit Textbroker oder anderen Plattformen gemacht? Schreib sie gerne in die Kommentare.