Gendern ist ein hitzig diskutiertes Thema. Der Umgang mit Sprache muss gleichzeitig taktvoll, geschickt und leserfreundlich sein. Ich zeige dir Möglichkeiten, gängige Probleme und warum es keine perfekte Lösung gibt.

Gendern: Lästige politische Korrektheit oder einzig angemessene Schreibweise?

Das Deutsche macht es uns im Umgang mit geschlechtsneutraler Sprache schwer. Das haben schon Mark Twain und sein buschiger Schnauzer gewusst, der ein ganzes Essay über die Gräueltaten der deutschen Sprache geschrieben hat: The Awful German Language.

Eines der Verbrechen ist, dass ein Mädchen sächlich ist und eine Rübe weiblich. Die spinnen, die Deutschen! Um den Gründen für diese sprachlichen Abscheulichkeiten auf den Grund zu gehen, müssten wir uns auf Zeitreise begeben. Dort finden wir heraus, dass das Mädchen tatsächlich einmal weiblich und Twains geliebtes Englisch ebenso durcheinander war.

Bleiben wir lieber in der Gegenwart.

Ich erinnere mich mit Schmunzeln an das Stöhnen und Raunen an der Uni, als wir erfahren haben, dass wir unsere schriftlichen Arbeiten gendergerecht schreiben müssen. Augen wurden verdreht, hilflose „Bitte nicht!“-Seufzer murmelten durch den Vorlesungssaal. Dem Fluchen habe ich mich angeschlossen.

Beim Schreiben an der nächsten Seminararbeit ist mir das vermaledeite Gendern nicht mehr aufgefallen.

Dennoch habe ich mich auf meinem Blog und der Website gegen ein hartes Gendern mit ständigen Doppelformen oder Zeichen entschieden.

Würde ich einen Roman lesen, der mit verwirrenden Zeichen und ewigen Doppelnennungen geschrieben wäre, ich würde das Buch wie eine zu heiße Nudelsuppe fallen lassen.

Linguistischer Exkurs: Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht

Mark Twains satirisches Essay zeigt, dass der Begriff Geschlecht verschiedene Bedeutungen hat.

Das Beispiel mit dem Chirurgen

Ein Vater fährt mit seinem Sohn im Auto. Sie verunglücken. Der Vater stirbt an der Unfallstelle. Der Sohn wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert und muss operiert werden. Ein Chirurg eilt in den OP, tritt an den Operationstisch heran, auf dem der Junge liegt, wird kreidebleich und sagt: “Ich bin nicht im Stande zu operieren. Dies ist mein Sohn.”

Wer kennt das Beispiel? Wer ist verwirrt? Hat der Junge zwei Väter? Oder handelt es sich bei diesem Chirurgen doch um seine Mutter? Wer hat beim Chirurgen an einen Mann, eine Frau, eine nichtbinäre oder intersexuelle Person gedacht?

Das generische Maskulinum

Das Deutsche unterscheidet zwischen mehreren Kategorien von Geschlechtern, die nicht miteinander verwechselt werden dürfen.

  • Genus = das grammatische Geschlecht. Im Deutschen gibt es drei Stück: männlich, weiblich, sächlich. Gabeln sind weiblich, Löffel männlich und Messer sächlich.
  • Sexus = das biologische Geschlecht. Sexus bezieht sich nur auf Lebewesen. Die Gabel hat keinen (weiblichen) Sexus. Eine Frau schon.
  • Gender = das soziale Geschlecht. Die geschlechtliche Identität, unsere Selbstwahrnehmung. Gender und Sexus müssen nicht übereinstimmen.

Grundsätzlich hat ein Wort ein Genus (es gibt Ausnahmen: z.B. die Butter vs. der Butter). Es gibt Wörter die sowohl generisch als auch geschlechtsspezifisch verwendet werden können. Bei der geschlechtsspezifischen Verwendung wissen wir, ob es sich um einen biologischen Mann oder um eine biologische Frau handelt.

Geschlechtsspezifisch: Lehrer = ein (bestimmter) männlicher Lehrer

Generisch: Lehrer = ein (unbestimmter) Lehrer, der männlich oder weiblich sein kann

Vor allem bei Berufsbezeichnungen oder Personenbezeichnungen im Plural sind generisch maskuline Bezeichnungen üblich.

Alle Lehrer waren beim Elternsprechtag.

Theoretisch könnte es sich dabei nur um männliche Lehrer handeln. Wahrscheinlicher ist, dass alle Lehrer (männlich, weiblich, divers) gemeint sind.

Bei generisch femininen Bezeichnungen sieht das anders aus.

Alle Lehrerinnen waren beim Elternsprechtag.

Bei diesem Beispiel ist es eher unwahrscheinlich, dass auch männliche Lehrer gemeint sind. Studien zeigen auch, dass Frauen sich bei den Lehrern mitangesprochen fühlen. Männer sehen sich bei Lehrerinnen explizit ausgeschlossen.

Tipp: Verwende Wörter nur geschlechtsspezifisch, nicht generisch. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, auf die ich später eingehe.

Movierung

Woher kommen diese weiblichen Formen, wenn das Genus von Lehrer doch männlich ist? Weibliche Formen für Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnungen sind entstanden, als Frauen diese Berufe auch ausüben durften. Es entsteht eine Movierung, bei der sich eine weibliche von einer männlichen Form ableitet.

der Lehrer → die Lehrerin

Es gibt auch Movierungen von weiblichen zu männlichen Formen, vor allem bei Berufen, die traditionell von Frauen ausgeführt wurden. Auffallend ist, dass bei einer Movierung zu einer männlichen Form, oft eine ganz neue Bezeichnung entsteht.

die Krankenschwester → der Krankenpfleger

Dieser linguistische Exkurs ist nur die Spitze des Sprachbergs. Fachleute diskutieren nach wie vor, wie wir das sprachliche Problem mit den Geschlechtern lösen. Egal welche Form der geschlechtergerechten Sprache korrekt ist, vielen geht das mit dem Gendern auf den Keks.

Gewohnheit und Vorurteile

Nervt uns das Gendern, weil wir es nicht gewöhnt sind? Wenn wir oft genug Worte mit Sternchen schreiben, fällt es uns dann früher oder später nicht mehr auf. Wenn wir konsequent gendern, lösen sich geschlechtsspezifische Rollenklischees in Luft auf. Oder?

Es wäre naiv zu glauben, dass es ja keine Rolle spielt, wer (m/w/d) eine Botschaft vermittelt. Vor allem in den naturwissenschaftlichen Disziplinen fällt es bis heute auf, wenn Wissenschaftlerinnen weiblich sind. Das hat nur bedingt etwas mit Sprache zu tun, sondern mit Klischees und Erwartungshaltungen.

Manchmal bekommt man den Eindruck, dass es das achte Weltwunder ist, wenn eine Frau etwas erreicht („Wie hat sie das bloß gemacht?!“).

Betonen wir extra, dass eine Frau einen Nobelpreis in einer von Männern dominierten Disziplin gewonnen hat oder sollte das Geschlecht keine Rolle spielen?

Wenn wir das Frausein explizit hervorheben, lenken wir die Aufmerksamkeit wieder auf die vermeintlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Will ich Frauen sichtbar machen, muss ich sie zeigen, ohne ein Spektakel daraus zu fabrizieren (gerade für Introvertierte eine gruselige Angelegenheit). Ich bin nicht gegen das Gendern, sondern gegen Brachialgendern.

Richtig Gendern: geschickt und leserfreundlich

Die wichtigsten Gender-Varianten

Paarform

Weibliche und männliche Version immer nennen.

Lehrerinnen und Lehrer

Nachteil: Texte sind unnötig lang und diese Form schließt Menschen aus, die sich weder mit dem weiblichen noch mit dem männlichen Geschlecht identifizieren.

Abwechslung

Du sprichst abwechselnd einmal von der einer männlichen Person, dann von einer weiblichen.

Wir laden alle Lehrer herzlich ein. Jede Lehrerin bekommt ein gratis Getränk zur Pizza.

Nachteil: Diese Variante kann für Verwirrung sorgen. Men’s Night im Bistro?! Oder doch Ladies Night, weil ja nur die weiblichen Lehrerinnen ein gratis Getränk bekommen?!

Zeichen

Unterstriche, Bindestriche, Schrägstriche, Doppelpunkte, Klammern, Binnen-I, Sternchen.

Lehrer*innen

Nachteil: Die Leserfreundlichkeit geht verloren und Screenreader für sehbehinderte Menschen sprechen manche Zeichen aus (z.B: Lehrersterninnen).

Ersatzformen

Substantivierung von Partizipien oder Adjektiven

Das Geschlecht erkennt man am Artikel.

der Lehrende, die Lehrende

Nachteil: Funktioniert nicht für jede Bezeichnung (z.B. ist „Kunde“ schon eine Substantivierung des Adjektivs kund).

Sachbezeichnungen

Anstelle von Personenbezeichnungen.

Lehrkraft

Nachteil: Oft zu förmlich und ungenau.

Inhärent generische Substantive

Das sind Bezeichnungen, die inhaltlich nie geschlechtsspezifisch sind, sondern nur generisch. Diese Substantive können nicht sinnvoll moviert werden (z.B. der Mensch → die Menschin?!).

Lehrende Person oder Person, die lehrt

Der Bezug zum biologischen Geschlecht entsteht erst durch ein weiteres Adjektiv.

die weibliche lehrende Person

die männliche Person, die lehrt

Nachteil: Es gibt nicht viele Bezeichnungen, die inhärent generisch sind und sie müssen oft mit Verben und Adjektiven kombiniert werden. Wortbildungen werden komplex, verwirrend und hölzern.

Es gibt noch andere Lösungsansätze, wie zum Beispiel Fußnoten und weitere Umschreibungen.

Die wichtigsten Punkte und Tipps findest du auf genderleicht.de.

Egal wie du dich entscheidest, eine perfekte Lösung haben wir leider (noch) nicht und es kann sein, dass du mit deiner Wahl jemandem auf die Füße trittst. Im Zweifelsfall bin ich für Leserfreundlichkeit. Ein paar Sternchen in einem langen Text finde ich mehr als aushaltbar, wenn aber jedes dritte Wort mit einem Schrägstrich auseinandergefetzt wird, macht das Lesen keinen Spaß mehr.

Richtig gendern: geschickt und leserfreundlich

Richtig gendern: mein Plädoyer für Abwechslung und neutrale Ersatzformen

Diese Methode habe ich mir von der Zeit abgeschaut (Die ze.tt, ein junger Ableger der Zeit, schreibt konsequent mit Sternchen und es stört mich nicht).

Am Beginn des Textes schreibe ich eine Doppelform wie Lehrerinnen und Lehrer. Später wechsle ich ab: Einmal erscheint der Lehrer in einem Text, das nächste Mal die Lehrerin. Besser ist es, sie zu konkretisieren: Die Lehrerin, die in ihrer Freizeit Landschaftsfotos schießt. Der Lehrer, der zur Entspannung gärtnert. Wenn es passt, verwende ich eine der oben genannten Ersatzformen und ich versuche Rollenklischees aufzubrechen.

Ich habe mich mit dem Thema auseinandergesetzt, Pro und Contra angeschaut und mich bewusst für diese weiche, leserfreundliche, nicht ganz konsequente Version entschieden (vielleicht denke ich in einem Jahr anders).

Gendern für dein Marketing

Der Google Algorithmus kann viel, gendergerecht ist er nicht. Menschen googeln die (generisch) männliche Form. Den meisten ist es egal ob der Klempner männlich, weiblich oder divers ist.

Suchergebnisse von weiblichen Unternehmerinnen rutschen dabei weiter nach unten. Probier es aus: Suche deine Berufsbezeichnung einmal in der männlichen und einmal in der weiblichen Form. Ich habe das mit Texter und Texterin gemacht und die Ergebnisse sehen komplett verschieden aus.

Lösungsvorschläge für dein SEO:

  • Baue ab und zu die männliche Variante ein (z.B. Texter).
  • Verwende andere Begriffe, die deinen Beruf beschreiben und nach denen Menschen suchen (z.B. Texte schreiben lassen).
  • Lass die Metadaten männlich: Titel-Tag, Description-Tag und auch die URL.

Gendern: ja oder nein oder jein?

Sprache allein hat nicht die Macht Gleichstellung zu erschaffen. Ein bisschen gendern und hurra die Gleichberechtigung ist da, das spielt es leider nicht. Erst wenn wir bei Vätern, die zuhause bei den Kindern bleiben oder bei weiblichen CEOs und diversgeschlechtlichen Lehrkräften nicht mal mehr mit der Schulter zucken, haben wir alte, verknotete Geschlechterrollen überwunden.

Dennoch ist ein bewusster Umgang mit Sprache ein Baustein, der zur Lösung beiträgt. Lass uns leserfreundlich, geschickt und sensibel gendern, ohne dass die Buchstaben vom Bildschirm schreien „Juhu, schau mal her, hier wird gegendert!“

Wie stehst du zum Gendern? SJW-Mumpitz, bitter notwendig oder irgendwas dazwischen? Schreib deine Meinung gerne in die Kommentare!